»Ich will alles. Hildegard Knef« von Luzia Schmid

Was für eine Frau! Mit frischen, unbefangenen Auftritten im deutschen Nachkriegsfilm begann ihre Karriere. Wortgewandtheit und schonungslose Ehrlichkeit sich selbst gegenüber machten sie später zu einem Medienstar und die Verlautbarungen über ihre Krebserkrankung zu einem Vorbild in einer Zeit, in der es galt, die Grenze zwischen Öffentlichem und Privatem zu überwinden. Hildegard Knef war in der Tat einzigartig, und verwunderlich ist, dass eine derartige Dokumentation nicht schon viel früher entstanden ist.

Frühe Aufnahmen zeigen eine erstaunliche Bühnenpräsenz der jungen Knef. Ihre raue Chansonstimme passt zu den schnippischen Chansontexten, und über den Applaus schien sie sich genauso zu freuen wie über ihre eigene Leistung. Ihre Filmkarriere begann so richtig mit Wolfgang Staudtes »Die Mörder sind unter uns«, einer eindrucksvollen Nachkriegsgeschichte im zerstörten Berlin, die von der ostdeutschen DEFA produziert wurde. Zuvor hatte sie in einer Nebenrolle in Helmut Käutners »Unter den Brücken« geglänzt, einem der besten deutschen Filme. Später hat sie sich beklagt, dass sie zwar Filme mit großen Regisseuren, denen man schlechte Filme gar nicht zugetraut hätte, gemacht habe, aber dann hätten sie die schlechtesten mit ihr gemacht.
Sie bekam eine Einladung in die USA und einen Vertrag vom berühmten David O. Selznick, der ihr aber keine Rolle gab. Diesem Tiefpunkt in ihrer Schauspielerkarriere folgte einer der großen Skandale im deutschen Nachkriegsfilm. In Willi Forsts »Die Sünderin« ist sie 1951 kurz als nacktes Modell eines Malers zu sehen. Heute läuft der sonst recht betuliche Film im Nachmittagsprogramm, damals protestierten vornehmlich katholische Kirchenleute. Es kam zu Ausschreitungen vor und in den Kinos und Boykottaufrufen. Aus dem angesehenen Trümmermädchen war nicht zuletzt wegen der mehr als 7 Mio. Kinobesucher ein richtiger Filmstar geworden.
Am Broadway war sie in Cole Porters Musical »Silk Stockings« erfolgreich. Als Hildegarde Neff spielte sie in mehreren amerikanischen Filmen, die sie auch in den USA bekannt machten. Doch Misserfolge in Deutschland ließen nicht lange auf sich warten. »Ich habe immer entweder sehr großen Erfolg gehabt oder ganz bedeutenden Misserfolg«, sagt sie später und: »Wenn du Fehler machst, mache große!«
Die mit mehreren Preisen ausgezeichnete Regisseurin Luzia Schmid hatte, als sie sich entschied, einen Film über Hildegard Knef zu machen, eine große Anzahl von Quellen zur Verfügung. In zahlreichen Interviews hat die Knef über ihre Person und ihre berufliche Karriere Auskunft gegeben. Ihr autobiographisches Buch »Der geschenkte Gaul« war in Deutschland und in der Übersetzung ihres Ehemannes David Cameron in den USA ein Bestseller. So konnte Schmid die Knef in Bild und Ton selbst zu Wort kommen lassen, die ihre Auskunftsfreude mit »bekenntinsblöde plappere ich« ironisch beschrieb. Gegen Ende kommentieren auch Knefs Tochter Christina und ihr letzter Ehemann Paul von Schell, der zu Protokoll gibt, dass er sich über Camerons Aussage, die Knef geliebt, aber nicht gemocht zu haben, sehr gewundert habe. Bei ihm sei es umgekehrt gewesen. Er habe sie erst sehr gemocht und später geliebt. Es scheint also, dass die wegen des großen Altersunterschieds umstrittene Ehe mit dem jüngeren von Schell ein echter Glücksfall für die krebskranke Diva gewesen ist.
Zusammen mit Yana Höhnerbach, die das Archivmaterial klug montiert hat, ist Luzia eine bemerkenswerte Annäherung an eine lebenshungrige und furchtlose Kämpferin für die Rechte der Frauen gelungen. Heutzutage müsste sie sich bei ihren unverblümten Einschätzungen vermutlich etwas zügeln, um nicht mit Shitstürmen überzogen zu werden.

Claus Wecker / Foto: © Bavaria Media
>>> TRAILER
Ich will alles. Hildegard Knef
Dokumentarfilm von Luzia Schmid,
D 2025, 98 Min.
Start: 03.04.2025

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