»Igor Levit – No Fear« von Regina Schilling

Es war wohl nur eine Frage der Zeit, dass ein Film über diesen Pianisten herauskommen würde. Igor Levit steht derzeit im Lichte der Öffentlichkeit wie kaum ein anderer Interpret klassischer Musik. Und das hängt nicht nur mit seinem Klavierspiel zusammen. Levit versteht sich als politische Person und bezieht vor allem gegen Antisemitismus Stellung.

In Regina Schillings filmischem Porträt erfährt man viel über den Menschen Igor Levit. Seine Kindheit in Russland habe er vergessen, sagt er am Anfang in einem Interview, er könne sich nur noch an seine Anfänge in Deutschland erinnern.
Später sind Filmaufnahmen von dem kleinen Igor als Kinderstar zu sehen, und der erwachsene Igor erzählt, wie ihm in Russland gesagt wurde, er gehöre als Jude hier nicht hin. Mit dem achtjährigen Igor hat die Familie Russland verlassen. Wer die russische Mentalität kennt, kann ermessen, welch ein Schock das für den Knaben war.
Da wir gerade bei den jungen Jahren sind: Wir erfahren auch, wie aus dem pummeligen Jungen der schlanke Igor Levit der Gegenwart geworden ist. Als er zu einem Herrenausstatter kam, empfing ihn der schnöselige Verkäufer mit dem Satz: »Für dich haben wir hier nichts.« Das war der Start seiner deutlichen Verschlankung.
Kernstück des Films ist natürlich Levits Klavierspiel. Und davon der Höhepunkt ist der neunminütige Ausschnitt aus dem dritten Satz der Waldsteinsonate. Hier nähert sich die Kamera auch Levits Gesicht. Man sieht die Schweißtropfen und erkennt, wie körperlich anstrengend dieses Klavierspiel auf hohem Niveau ist. Eine Lektion, die den Klassik-Hörern selten erteilt wird.
Die Beethoven-Sonaten, die gerade für eine CD-Kassette eingespielt waren, sollten nach der ursprünglichen Idee der Filmemacherin den pianistischen Teil des Films ausfüllen. Doch Levit war schon dabei, sich neuen musikalischen Herausforderungen zu stellen. Und es kam die Covid-Zeit mit ihren Shut- und Lockdowns. Also keine öffentlichen Konzerte mit Publikum mehr.
Levits Antwort waren Streams im Internet. Hauskonzerte von ganz unterschiedlicher Länge, in denen er ohne Vorgaben frei spielen konnte. In der Zeit nach den Hauskonzerten hat er, so erzählt er, jegliches Lampenfieber verloren.
Ob mit oder ohne Lampenfieber, Levit scheint in seinen Konzerten ganz in sich versunken, und die Intensität seines Spiels verzaubert jedes Publikum. Als Korrektiv besitzt er einen weiteren Meister seines Fachs: den mit vielen Grammys ausgezeichneten Tontechniker Andreas Neubronner. Der Film zeigt ausführlich die Zusammenarbeit der beiden und gibt so einen tiefen Einblick in die Entstehung von Interpretationen, die man bald als vorbildlich ansehen wird.

Claus Wecker / Foto: © Zero One Film

IGOR LEVIT – NO FEAR
von Regina Schilling, D 2022, 118 Min.
Dokumentarfilm / Start: 06.10.2022

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert