Im Romantikmuseum widmet man sich der »intimen Kommunikation«

Es war eine kleine Revolution: abseits aller gesellschaftlichen Regeln Briefe zu schreiben und darin nicht etwa Floskeln auszutauschen, sondern Wahrhaftigkeiten, eine Sprache zu ersinnen, die das Innerste offenlegte, damit der Adressat, die Adressatin einen wirklich und ernsthaft verstand. So geschehen vor etwa 220 Jahren.
Ist das noch aktuell in einer Zeit, in der sich Kommunikation häufig in Emojis bündelt, tendenziell eher darin besteht, sich auf sozialen Plattformen hinter allen möglichen erfundenen Identitäten aufzulösen und einem potenziellen Gegenüber nur Maskierungen zu bieten? (Was in Diktaturen selbsterhaltend ist.) In der Welt der digitalen Kommunikation stellt man Intimität her, indem man sie öffentlich macht, also verleugnet. Und doch ist das Konzept einer innigsten Kommunikation, in der man zum Anderen Brücken schlagen will, über 200 Jahre alt.
Spektakulär neu war damals der Satz: »Den Menschen aufschließen wie man einen Schrank öffnet« von Rahel Levin Varnhagen. Sie ist neben Bettina Brentano und Karoline von Günderrode einer der Protagonistinnen der neuen Studioausstellung im Romantikmuseum, denen jeweils ein zeitlicher Abschnitt gewidmet ist und die später einmal in eine Sonderausstellung mit dem Titel »Romantische Liebe« münden wird.
Es geht also ums Mit-Teilen. Und um die Liebe in diesem Prozess des Entäußerns, um die Gefühle. Es geht darum, wie sich Kommunikation im 18. und frühen 19. Jahrhundert verändert, wie durch wachsende oder schwindende Intimität Erwartungshaltungen und Missverständnisse entstehen, wie der Grad der Intimität mit dem Grad der Verletzlichkeit korrespondiert, wie sich dadurch auch die Liebe, die Gefühle verändern. Körperliche Nähe herstellen trotz physischer Distanz, wie geht das? Die drei formulieren unterschiedliche Ansprüche: Durch schonungslose Offenheit und Wahrhaftigkeit, wie es Rahel Levin Varnhagen beschwört, mit der Sehnsucht nach Ehrlichkeit wie bei Karoline von Günderrode, durch Gefühlsintensität wie bei Bettina Brentano.
Jetzt ist all dies nachzulesen im ersten Abschnitt der Studioausstellung, die sich Bettina Brentano widmet, und das Papier vibriert förmlich vor deren emotionalen Aufladungen. Sie erhellt ihre Beziehung zu ihrem Bruder Clemens, wirft ein Schlaglicht auf die Freundschaft zu Karoline von Günderrode. In den Vitrinen, angeordnet wie in einer gutbürgerlichen Bibliothek, sind Korrespondenzen, vertiefende Zitate, das Briefbuch der Bettina ausgestellt. Es ist ein frühes Beispiel für den autofiktionalen Briefroman; es markiert biografische Wendepunkte und prüft auch den Anspruch an Wahrhaftigkeit, doch spricht es gleichzeitig davon, wie verzweifelt eng und nah man sich sein wollte – auch in der Abkehr. »Ich habe mein Herz hinein geschrieben«, formulierte Bettina Brentano einmal. Ein Gefühls-Überschuss rebelliert gegen Nicht-Verstanden-Werden.

Susanne Asal / Foto: links: Kersting Georg Friedrich: Interieur mit briefschreibender Dame, © FDH
Bis 1. Juni: Fr.–Mi., 10–18 Uhr, Do., 10–21 Uhr; Teil 2,
Rahel Levin Varnhagen ab 13.3., Teil 3, Karoline von Günderode, ab 17.4.
www.deutsches-romantik-museum.de

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