»Johann Holtrop« am Staatstheater Mainz: Das System der Verachtung

Was für ein Schmock! Laut und breitbeinig im weißgestreiften hellblauen Anzug strotzt diese Figur ganz auf Präsenz getrimmt vor Ego: »Johann Holtrop«, allseits gehypter Supermanager der Nullerjahre. Henner Mommsen lässt diesen Titelhelden aus Rainald Goetz` für die Bühne adaptiertem Roman von 2012 groß aufleben im Mainzer Staatstheater. Die Regisseurin Friederike Heller serviert uns das Stück als sarkastisches Männerballett mit lediglich vier weiteren Schauspielern, die sich permanent umziehen nicht zuletzt für sämtliche Frauenrollen. Im Zentrum der inklusive Pause zweistündigen Inszenierung steht aber die auf dem Prinzip gegenseitiger Verachtung basierende gnadenlose Konkurrenz um Macht als »Abriss der Gesellschaft«, wie der Untertitel nicht nur im Rückblick behauptet. Was für ein Bild, als Mommsens Holtrup einem Aladin aus der Flasche ähnelnd, den im Bürostuhl kauernden langjährigen Vorstandskollegen die fristlose Entlassung mitteilt und diesen mit dem Tritt auf das Sitzverstellungspedal fast in den Boden schrumpfen lässt. Ein hochinteressanter großer, aber auch groß gespielter Abend, der in Anlehnung an den Aufstieg und Fall des einstigen Bertelsmann-Managers Thomas Middelhoff – offensichtlich auch für den zur Premiere anwesenden Autor, der sich zum Schlussapplaus auf der Bühne mit allen verbeugte.

Foto: © Andreas Etter
Termine: 2., 3., 11., 19. April, 19.30 Uhr; 21. April, 18 Uhr
www.staatstheater-mainz.com

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