Landungsbrücken: Ankuftshalle T zeigt »Der thermale Widerstand« von Ferdinand Schmalz

Das diffizile Verhältnis von Kur und Kapitalismus ist, wenn schon nicht DAS, dann gewiss aber EIN großes Saisonthema in den Frankfurter Landungsbrücken. Nach dem adaptierten politischen Eklat an der norwegischen Küste aus Henrik Ibsens »Ein Volksfeind« durch das Ensemble des Hauses, steht nun ein Stück von Ferdinand Schmalz mit dem vielsagenden Titel »Der thermale Widerstand. Revolution im Kurbad« auf dem Programm, das auf der eher sozialpsychologischen Seite zeigt, was den Menschen einer solchen Anstalt und der Wohlfühl-Gesellschaft, die sie dort (ab)bilden, droht, wenn man den Kapitalismus machen lässt, was er will. Präsentiert wird das bitterböse Spiel als Koproduktion mit der Frankfurter Theatergruppe Ankunftshalle T.
Im Jahr 2016 gegründet, kann die der zeitgenössischen deutschen Dramatik verpflichtete freie Bühne sich von der Größe ihres Ensembles problemlos mit größeren Bühnen messen. Neun der gut 20 Mitglieder treten nun in Jan Dittgens Inszenierung an, um dem vielschichtigen Text des sprachgewaltigen Österreichers, dessen »Lieblingstier Winter« derzeit auch im Schauspiel Frankfurt gefeiert wird, fast aufs Wort zu folgen. Nur ein paar Begriffe sind laut der Gruppe »entschweizt«, also »bundesrepublikanisiert« worden.
Vier Startblöcke, wie man sie aus Wettschwimmhallen kennt, und diverse Utensilien, die bei der Wassergymnastik für das dritte Lebensalter im Planschbeckenbereich von All-inclusive-Clubs zum Einsatz kommen, tragen wesentlich zur Ausstattung bei – farbenfroh komplettiert durch bunte Badehauben der sogenannten Kureuten. Zur optischen Entfaltung kommt diese Kindergeburtstagkolorierung, wenn als Heiminsassen ein Quartett mit eckig choreografierten Schritten, weißen Flauschmänteln und schwarzen Einteilern zur täglichen Behandlung ihrer Zipperlein schreitet, akustisch allerdings konterkariert von komplexen Körpergeräuschen aus den Verdauungstrakten, insbesondere Frau Mosers. Kurzum: Es sind Begleiterscheinungen eines Lebens im Überfluss, die sie zu Langzeitpatienten machen.
Erzählt wird in diesem Stück von Hannes, dem neuen idealistischen Bademeister der Stätte, und von seiner sich zuspitzenden Konfrontation mit der Geschäftsführerin Roswitha, die das Thermalbad zwecks Umwandlung in einen hochpreisigen Wellnesstempel an einen Konzern verhökern will. Kein Ort mehr für Kurbedürftige und schon gar nicht für Minderbemittelte. Weil Hannes als Verfechter einer unverwässerten Badekultur der Gewinnoptimierung im Wege steht, wird er entlassen. Dass er sich mit der Losung »Die Bäder den Badenden!« zum Widerstand entschließt, wirkt dennoch nicht unsuspekt, klingt das doch irgendwie auch wie Deutschland den Deutschen. Während Schmalz im Original auf Diskussionen um einen Widerstand gegen sowjetische Besetzung in der Schweiz in den 90ern (P26) rekurriert, platziert die Ankunftshalle T die geistigen Väter des Protagonisten in griffigere Gefilde. Der thermale Widerständler, dem am Ende gewissermaßen übel mitgespült wird, hat nicht nur Marx im Bücherregal, sondern gehört auch zur Sektion städtischer Bäderkampf der Bäder-Meinhof-Gruppe.
Vom jungen Ensemble fein umgesetzt und unglaublich souverän präsentiert, lohnt schon die pittoreske Sprachjonglage von Ferdinand Schmalz, die so skurrile wie hintergründige Gesellschaftsparabel zu besuchen. Mit Verve und Witz sind der messianische Bademeister Hannes (Jan Heißler), die den Typ Kaltschale gebende Hauschefin Roswitha (Anuschka Wojciechowski) in Szene gesetzt. Einen Höhepunkt ganz eigener Art weiß uns Karla Alpers als Konzern-Consulterin in den Händen des staubtrockenen Masseurs Leon (Matthias Kraut) zu bescheren, famos freilich auch Gregor Grewers als machoesker Lover Roswithas und die von Christopher Gosch, Simon Höra, Linn Mann, Patrick Stier mit sprühender Spiellust verkörperten Rekonvaleszenten. Spaßtheater mit Hintersinn.

Winnie Geipert
Termine: 21.–24. März, 20 Uhr
www.landungsbruecken.org

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