Die Schauplätze bei Martin Mosebach sind oft exotisch. Indien, Ägypten, Italien, aber auch der Vordertaunus oder das Frankfurter Bahnhofsviertel. Die Handlung ist oft konventionell. Kunstgeschichten, Ehegeschichten, Liebesgeschichten. Die Sprache aber ist meist exzeptionell. Kein Jargon, kein Gequassel, sondern ein etwas altfränkisch angefärbtes, leicht vornehmes, aber immer elegantes Deutsch, weniger an Thomas Mann, eher an Heimito von Doderer geschult.
Martin Mosebach, ein gelernter Jurist, ist ein überaus gelehrter, kenntnisreicher Autor, der den theologischen Disput ebenso beherrscht wie den kunstgeschichtlichen Exkurs. Und er hält, was viele seiner Leser zu schätzen wissen, mit seinen Kenntnissen nicht hinter dem Berg.
Jedes Jahr im Sommer laden Ruprecht und seine Frau Marjorie Dalandt Familie und Freunde in ihr kleines Anwesen »La Chaumière« in der Provence ein. Marjorie, Mitte fünfzig, hatte von ihrem Großvater ein beträchtliches Vermögen geerbt, das er im Kongo durch den »Abbau von Bodenschätzen« und, auch das wird vermerkt, die »Ausbeutung der Arbeiter« erworben hatte. Ihr Vater, ein Kunstliebhaber, hinterließ ihr aus seiner Sammlung unter anderem ein recht unbedeutendes Stillleben »Taube und Wildente«. Ausgerechnet dieses Bild wird nun zum Dreh-und Angelpunkt in diesem Roman und entwickelt zudem eine unerwartete Sprengkraft für diese Vernunftehe. Beide glaubten, dass sie ewig halten würde, weil sie ihnen größtmögliche Freiheiten erlaubte. So besucht Marjorie, morgens, wenn alle noch schliefen, noch »im Nachthemd«, den Maler und Verwalter Damien Devereux im Pförtnerhäuschen des Anwesens. Ruprecht duldet wortlos diese Affäre. Denn auch er möchte auf seine Freiheiten nicht verzichten. Er führt einen kleinen, aber sehr angesehenen Verlag, der ihm eher Reputation als Gewinne einbringt.
Über seine Frau und ihre gemeinsamen Gäste hat er klare Ansichten. Marjorie ist schwer zu ertragen »mit ihrem auftrumpfenden Dauergeschwätz«, ihrer »bissigen und ruppigen Art«. Hauptsache nicht konventionell sein, »das war ihr unbedingter Wille«. Der Liebhaber seiner Frau nervt ihn »in seiner selbstgenügsamen Arroganz« und Ruprecht selbst verbirgt »hinter falschem Lächeln, dass er am liebsten davonlaufen würde«.
Das mittägliche Essen, bei dem immer alle zusammentreffen, wird »ein Ort des Mißtrauens und der verborgenen Ablehnung«. Das Fazit: »schreckliche Menschen, ungenießbares Essen«. Marjorie will nun ausgerechnet das Bild, mit diesen monotonen Grautönen und seinen besonderen Licht- und Schattenverhältnissen verkaufen, in das sich Ruprecht regelrecht verliebt hatte. Sie braucht Geld für die Dachreparatur. Der Streit um dieses Gemälde bringt einige verborgene Gefühle und Empfindungen an die Oberfläche. Könnte es tatsächlich sein, dass ihre »angeblich unlösbare Verknüpfung auseinanderfiel?«. Könnte »ihre enttäuschungsresistente Verbindung« zerbrechen? »Marjorie, der Willensmensch, wußte nur, daß sich das, was sie wollte und das, was gut und richtig war, eben nicht vereinbaren ließen.«
Ihre Beziehung steht auf der Kippe.
Am Ende des Sommers fährt Ruprecht mit Stieftochter und Enkelkind zurück nach Deutschland. Marjorie muss sich noch um die Dacharbeiten kümmern.
Wie in all seinen Büchern zeigt Mosebach auch hier, wieder in eleganter, dabei oft auch boshafter Sprache, seine Figuren nicht immer im besten Licht.
Doch bald, und zwar buchstäblich unter dem Weihnachtsbaum, kommen dann doch wieder alle friedlich zusammen. Ein Showdown mit einem Knalleffekt, lässt das Ehepaar wieder zueinander finden. Das Fazit, in geradezu klassischer Manier beschrieben: »Alles strebte aus einer Phase der Verwirrung neuer, vielleicht etwas resignativ unterlegter Harmonie zu …War das nicht Lebenskunst, die Dinge ohne lange Absprachen laufen zu lassen, wie sie wollten?«.
Mosebach ist mit »Taube und Wildente« buchstäblich ein Kunststück gelungen.