Mehret, allein unter Deppen

tr-katzelmacher_c-bettina-muellerDas Staatstheater Mainz zeigt »Katzelmacher«

Es wird ein Bayerisch gesprochen in diesem Stück, wie es schon gar keins nicht geben tut. An der von Rainer Werner Fassbinder kultivierten Kunstsprache führt – von den Erben strengstens überwacht – auch am Staatstheater Mainz kein Satz vorbei. Sie kommt in »Katzelmacher« so roh und aggressiv daher wie vielleicht in keinem anderen seiner Werke.

Das Ensemble folgt dem so worttreu und ungehobelt, daß es manchen – gewollten? – Lacher provoziert. Nur Mehret, der Protagonist der Inszenierung, spricht akzentfreies Hochdeutsch. Welcher Mehret, werden die Kenner fragen. Doch dazu komm ich gleich.
Fassbinder hat das Stück um einen Arbeitsemigranten, der durch sein bloßes Dasein einen bayerischen Ort in Aufruhr bringt, 1968 geschrieben und in einer 20-Minuten-Fassung auf die Bühne gebracht. 1969 hat er »Katzelmacher« mit Hannah Schygulla, Irm Hermann und sich selbst in der Hauptrolle gedreht und so seine Karriere als Filmemacher begründet. Es geht um den Griechen Jorgos, den die Dörfler gewohnheitshalber für einen Italiener halten und einfachheitshalber Katzelmacher nennen wie alle Gastarbeiter.
Da Jorgos nichts sagt, weil er kein Deutsch nicht kann und nichts tun tut, traut man ihm alles zu. Wird er zur Zielscheibe unbändiger Aggressionen, aber auch des Begehrens. Daß Jorgos als Fremder, primär für ein Anderssein steht, das auch Juden oder Schwule teilen könnten, zeigt die Inszenierung des Deutschtürken Hakar Savas Mican, der sich am Berliner Kulthaus Naunynstraße erste Meriten erwarb. Indem er aus dem sprachlosen Griechen einen eloquenten Deutschen türkischer Herkunft macht, deckt er die Mechanismen der Ausgrenzung und Stigmatisierung umso deutlicher auf. Denn auch der smarte Mehret (Mehmet Yilmaz) ist den Dörflern erst ein Fickificki-Italiener, bevor sie ihn zum Islamisten machen. Sein überlegenes Deutsch nehmen sie gar nicht zur Kenntnis, doch scheint sich Mehret auch in Sprache und Habitus immer mehr den Erwartungen der Dörfler anzupassen.
Die gut 70-minütige Aufführung findet im obersten Stock des Großen Hauses in der neuen Studio-Spielstätte »Deck 3« statt. Das Rundgeländer vor dem schönen Dom-Panorama ist eine zwar ideale Lümmelkulisse, scheint den Regisseur aber auch dazu verführt zu haben, seine Arbeit unnötig mit Lokalkolorit (Mitklatschfaßnacht) anzureichern. Die übermotiviert daher kommenden Gags sorgen eher für Irritation.
Dafür macht es Spaß einem Ensemble zuzusehen, das die hohe Nachfrage für die Aufführung sichtlich genießt. Ulrike Beerbaum gefällt als verhärmte Helga; Verena Bukal hat eine große Szene als abgewiesene Elisabeth; und so einem wie Paul (Tilman Rose) möchte man nicht mal im Berufsverkehr in der U-Bahn begegnen. Nur Yilmaz könnte etwas weniger özdemirhaft spielen. Was hält Mehret nur bei diesen Deppen, fragt man sich öfter.

Winnie Geipert
Termine:4. + 13.2.2013, 20 Uhr

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