Museum Angewandte Kunst: »Hamster Hipster Handy« auf dem neusten Stand

KRAFTWERK AUTOBAHN K20 2013Enjoy Your Selfie

Darüber, was dieses »Hamster« auf Deutsch heißen könnte, macht sich nicht jeder Gedanken auf dem Weg zum Museum Angewandte Kunst MAK. Wird schon was meinen, schließlich ist auch der Hipster nicht wörtlich zu übersetzen. Bis dann am Zugang zur Ausstellung »Hamster Hipster Handy. Im Bann des Mobiltelefons« eine große Bildwand den Nager im Großformat zeigt. Also doch, und eins zwei Klicks verraten, wie peinlich, dass der Hamster auf englisch nicht anders geschrieben wird. An ihm, dem Hamster, so erfährt man da, sei getestet worden, dass der Handydauergebrauch keine Hirntumore verursache. Seitdem sei das beliebte Labortier eine Art Patron der Mobiltelefonierer und iPhoneiacs.
Im zweiten Stock des Richard-Meier-Baus steht der Hamster folglich auch für die erste Schau in Europa, die dem künstlerischen Umgang mit dem noch immer jungen Medium gewidmet ist. Eher beiläufig, wenn auch nicht schrecklos wird dem Besucher gewahr, in welch kurzer Zeit dieses Gerät unseren Alltag, aber auch unsere Wahrnehmung und unser Verhalten zu verändern vermochte. Wie stark es beim Wachsen geschrumpft ist, zeigt Kylie Beans Generationenfolge als Matroschka. Groß wie Schuhkartons in den Neunzigern, die mit etwas Glück zum Telefonieren taugten, wenn denn grad keine Mauer im Weg war. Heute ersetzt das geräumig in den Handteller passende Teil nicht mehr nur die Uhr, den Notizblock, das Adressbuch, den Kalender und die Postkarte, sondern auch Foto- und Filmkamera, das Fernsehgerät, Radio, PC und so fort.
Rund 200 Exponate (Geräte, Videos, Fotografien, Installationen) von 80 Künstlern beleuchten die Bedeutung von Mobiltelefon und iPhone aus unterschiedlichsten Aspekten. Dazu gehört das Phänomen des Selfie, das aus dem simplen Akt einer Selbstaufnahme, wie es ihn schon lange gibt, vor gut drei Jahren katapultartig zum globalen Kult der Teilhabe anderer am eigenen Erleben avancierte und seither Soziologen und Professoren darüber sinnieren lässt, was das wohl meint. Wie etwa die Kuratorin dieser Schau, Birgit Richard, die an der Frankfurter Uni Kunstpädagogik lehrt und als gleich dreifache 3D-Skulptur ›iPhone-usend‹ in der Pose der Generation Kopf unten höchst selbst zu ihren Exponaten gehört.
Das berühmteste Selfie hat allerdings nichts mit Selbstdarstellung zu tun, sondern eine politische Dimension: Dem chinesische Künstler Ai Wei Wei gelang es im August 2009 zum großen Ärger des offiziellen Chinas, seine Verhaftung über Facebook in Sekundenschnelle weltweit zu verbreiten. Die permanenten Verfügbarkeit der Film-, Foto- und Sendefunktionen des Geräts hat die Diskriminierungsdebatte in den USA forciert, als Augenzeugenreports mehrfach den offiziellen Behördendarstellungen von Polizeiübergriffen den Boden entzogen. Umgekehrt legt die Schau auch offen, wie das Mobiltelefon seinen Besitzer zum Objekt der permanenten Überwachung degradiert. Die zu den aufregendsten Arbeiten zählende Installation »Menschentracks« von Florian Mehnert zeigt auf 42 an Fäden hängenden Tablets, auf denen Videoaufnahmen von Smartphones zu sehen sind, deren Filmfunktion ohne Wissen der Besitzer von Hackern aktiviert wurde. Was in einem Fall harmlos anmutet wie jener gekachelte Boden, gewinnt freilich schnell etwas Bedrohliches, wenn man ahnt, dass da jeder wie Hinz und Kunz auf der Toilette sitzend seine SMS abruft. Diese Form von Teilhabe und Transparenz scheint nicht nur problemlos zu realisieren, sondern ist längst alltägliche Praxis der Überwachungsbehörden.
Damit lange nicht genug: »Hamster Hipster Handy« geht auch der Fertigung von Handys nach, dem giftigen Abbau der seltenen Erden durch Kinderarbeit, dem Problem des Elektromülls, ein Slapstick aus Lady-Kracher karikiert die Allgegenwärtigkeit der Technik, der Screen eines Kraftwerk-Konzerts feiert sie, Thomas Struth belinst sie aus der Perspektive der Mona Lisa. Bunt, vielfältig und, so man ein iPhone hat, auch interaktiv.

Lorenz Gatt
Bis 5. Juli 2015: Di. – Sa. 10 – 18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr
www.museumangewandtekunst.de

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