Museum Angewandte Kunst zeigt Anette Lenz Grafik-Schau »à propos«

Es ist nicht die erste Ausstellung, die den Besucherfahrstuhl im Museum Angewandte Kunst bespielt. Nach Stefan Sagmeister, der für seine Happy-Show den Hin-und-her-Mechanismus für eine in jedem Sinne einführendes Sex-Comic nutzte, integriert nun seine Design-Kollegin Anette Lenz die Aufzugtür im 1. Stock in das Besuchskonzept für »à propos«. Lust, das Gefährt zu nutzen, macht der Blick auf das massiv herabstürzende Nass jedenfalls nicht. Braucht es auch nicht, zumal wir nicht ganz schlau werden aus der Idee.
Schließlich nutzt Lenz mit ihren Kuratoren Peter Zizka und MAK-Chef Matthias Wagner K auch die lange Aufgangsrampe für eine wesentlich »typ«ischere Arbeit ihrer Letteratur. »ICH BIN EIN TEIL DES GROSSEN GANZEN UND DAS GROSSE GANZE IST EIN TEIL VON MIR« entziffern wir längs der Wand auf einem mehrfach geknickten Falzband. Die Botschaft klingt zwar etwas schamanisch, präsentiert sich aber mit Ecken und Kanten.
Ihr Handwerk hat die Designerin in München gelernt, von wo sie nach dem Studium und ersten Arbeiten 1989 in Paris zu den Avantgarde-Designern der legendären Gruppe Grapus stieß, der nichts verpönter war als Werbung. Seit 1990 führt sie ein eigenes Atelier an der Seine und arbeitet vornehmlich für kulturelle und soziale Institutionen.
Die erste Anette Lenz gewidmete Einzelausstellung in Deutschland ist gewiss auch corona-bedingt als durchgängiger Parcours über drei weite Räume angelegt. versteht sich aber auch im Dialog mit den Spezifika des Richrd-Meier-Bau. Erklärende Schildchen sucht man vergebens: Die Schau will als Ganzes, als Einheit gesehen werden.
Zu Lesen gibt es freilich genug auf den Plakaten und Schriftbildern, die hier die Wände bedecken oder auch mal als Mobiles von der Decke hängen. Trotz der starken Einbindung von Film, Licht und Sound bezieht sich Anette Lenz ganz wesentlich auf die Schrift.
Oben angekommen tauchen Besucher in eine Ambient-Klangwolke ein. Ein langgezogener, dreimal wiederholter Schriftzug »REPETITION!« umsäumt einen deckenhohen umgehbaren Raumteiler, die hohen Buchstaben muten wie Giacometti-Figuren in einer vorpandemischen Warteschlange oder beim tibetischen Gebetsmühlen-Ritual an. Man könne das beim Umkreisen wie ein Mantra lesen, hat Lenz zur Eröffnung gesagt. Doch eine Schamanin? Jedenfalls hat das einen schönen Witz.
Rundum, wiewohl hier nix rund ist, zieren lange Bahnen mit akkurat gesetzen Symbolen, Formen und Zeichen aus dem Werkstattarsenal die Wände. In der Mitte, frei hängend, hängen vier Plakate mit wirren Krakseln. Ach ja, die in Blau gekleidete Wand, ist noch zu bemerken, die dem Raum durch das gedämpft hereinfließende Fensterlicht eine Intimität verleiht, die den sonst üblichen Lichtfluten im Meir‘schen Weiß na, sagen wir: eine Nase dreht.
Dann aber kommen wir an im »Centre chorégraphique national du Havre Haute-Normandie« an, dem Tanztempel »Le Phare« in Le Havre, im Original eine alte Lagerhalle am alten Hafen der nordfranzösischen Stadt. Eine mit Wärmebildkamera gefilmte schemenhafteTanzperformance empfängt uns. Man fühlt sich im Club. Die anderen Wände des Carrés sind mit Spielplänen und Postern tapeziert: vom TanzfestivaPharenheit, dem Kulturzentrum »La Filature« in Mülhausen und dem Comic-Festival von L’Angloueme. Man muss schon herantreten, um das Wer, Was und Wann zu erfahren, aber das ist hier eh nicht von Belang. Eim Ensemble wirken sie wie ein leuchtendes, luftiges Bild aus Lettern, Zeichen und Fotografien.
Und dann schweben in poppigem Bunt zwölf großflächige geschwungene Schriftzüge aus dem Wort »Relax«, das für einen Club steht, wie leichte Wolken im Raum und lassen uns ein launiges Bad im Himmel assoziieren. Ganz entspannt , wie ging das noch? Ach ja: im Hier und Jetzt.

Lorenz Gatt (Foto: © Wolfgang Günzel/mak)

Bis 3. Januar 2021: Do.–So. 10–18 Uhr, Mi. 10–20 Uhr
www.museumangewandtekunst.de

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