Paulskirchenparlament und Bürgerliche Revolution 1848/49 – Zur Ausstellung im Institut für Stadtgeschichte

Es ist ein Datum, an dem eine Zukunft aus einem überkommenen System gesprengt werden sollte: zum 175. Mal jähren sich die stürmischen Tage der Bürgerlichen Revolution mit ihrem Herzstück, der Zusammenkunft eines frei gewählten deutschen Parlaments in der Frankfurter Paulskirche, die dazu bestimmt war, einen Grundrechtskatalog für den zu schaffenden deutschen Nationalstaat zu erarbeiten. Das erste gewählte Parlament überhaupt mit Repräsentanten aus verschiedenen Schichten und gesellschaftlichen Gruppierungen, 809 Abgeordnete gehörten ihm an.
Der Bruch mit den bis dato üblichen Macht-Hierarchien war enorm. Der Bürger, der Citoyen, als gesellschaftspolitischer Begriff schälte sich grade eben aus der Basis der Französischen Revolution heraus. Die bestehende Machtordnung bildete die tatsächlichen gesellschaftlichen Strukturen schon längst nicht mehr ab. Ohne die Handelsbourgeoisie kein wirtschaftlicher Aufschwung, ohne eine liberale Presse keine Debattenkultur. Die deutsche Kleinstaaterei als Produkt adliger Machtentfaltung stand einer gesellschaftlichen Weiterentwicklung schlicht und ergreifend im Weg.
Zu Beginn der 1848er Revolution waren die Ziele noch relativ eindeutig formuliert: Ein liberales, demokratisch und national gesinntes Bürgertum wollte Pressefreiheit, Bildung und Handelsverkehr ohne Zollschranken, im Laufe der Zeit bis 1849 flochten sich auch weitere Strömungen in die Bewegung ein, anarchistische, sozialrevolutionäre, und auch frühe feministische Gruppierungen. Ihr Höhepunkt: eben jene verfassungsgebende Versammlung in der »Wiege der Demokratie« der Frankfurter Paulskirche.
Das Institut für Stadtgeschichte hat sich angesichts der Fülle der zu erwartenden Gedenktage auf einen ganz besonderen Aspekt konzentriert: auf die Septemberunruhen in Frankfurt selbst. Noch während das Parlament tagte, überschlugen sich die Ereignisse, als im Schleswig-Holsteinischen Krieg gegen Dänemark 1849 preußische Truppen eingriffen und den Vertrag zu Malmö aushandelten. Das Parlament widersetzte sich diesem Vorgang, konnte ihn jedoch nicht beeinflussen, diese Macht hatte es nicht. In Frankfurt brachen daraufhin Unruhen aus, die in blutigen Barrikadenkämpfen mündeten und das Leben von zwei konservativen Abgeordneten kosteten.
Diesen Aspekt nun, das Aufbäumen einer außerparlamentarischen Opposition, der ersten APO sozusagen, bebildert und veranschaulicht die Ausstellung im Institut. Es ist ein Mega-Unterfangen, dies alles in einem einzigen Saal zu präsentieren, denn der Kontext muss natürlich auch miterzählt werden. Prunkstück und Mittelpunkt dieses überbordenden Themas bildet ein vier Quadratmeter großer Stadtplan, auf dem zahlreiche Bezüge hergestellt und teils unbekannte Inhalte eingewoben wurden: nicht nur zum politischen Salon der Clotilde Koch-Gontard, auch die Treffpunkte der einzelnen Fraktionen, die Orte des Septemberaufstandes, die Barrikaden in der Innenstadt und die Versorgung der Verwundeten im Hospital zum heiligen Geist wurden hier verzeichnet. Die Zeit des Vormärz und der Wachensturm von 1833 sind ebenfalls in die Präsentation eingebunden. Der Stadtplan hilft bei der Orientierung in die Kapiteleinteilung. Waffen der Barrikadenkämpfer und Armbinden der Burschenschaften gehören u.a. zu den Ausstellungstücken, und eine ganze Reihe zeitgenössischer Karikaturen.
Prall gefüllt nicht nur die superinteressante Ausstellung, auch das Begleitprogramm: u.a. gibt es Vorträge zu verschiedenen Aspekten (auch zur Migration von Intellektuellen, die als Antwort auf die der folgenden Restauration flüchten mussten), eine Vorstellung von Biografien, ein Theaterstück von Michael Quast, ein Podcast zu Robert Blum.

Susanne Asal / Ausstellungsräume, Foto: © Holger Menzel
Bis zum 18.9.2023, dem Tag des Septemberaufstandes: Mo.–So., 10–18 Uhr; Mi., 10–20 Uhr
www.stadtgeschichte-ffm.de

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