Perspektiven – Positionen nigerianischer Künstler*innen zu Benin. Zweiter Teil der Ausstellung im Museum der Weltkulturen

Seun Adeyemi, Taiwo Eldest of the Twins, 2021

Es ist das Eine, sich über die Restitution der schlaglichthaft so genannten Benin-Bronzen auszutauschen, und das Andere, Künstler*innen selbst dazu zu Wort kommen zu lassen, und zwar solche aus Nigeria mit starkem Bezug zum Königreich Benin.
Exakt diesen doppelten Blick gestattet das Museum für Weltkulturen mit seiner zweiteiligen Ausstellung zu Benin. »Perspektiven« hat es jetzt den zweiten Teil benannt, und dieser bezieht sich ausdrücklich auf die bereits im ersten Teil ausgestellten historischen Exponate, deren Herkunft bis auf zwei Stücke noch nicht explizit geklärt werden konnte. Sind es Schenkungen, Ankäufe, Tauschobjekte gar? Oder brutale Raubkunst?
Es ging den Kuratorinnen Julia Friedel und Audrey Peraldi auch darum zu zeigen, wie die fünf beteiligten Künstler*innen Kunst aus einem musealen Zusammenhang befreien, wie sie sie in weniger akademische Kontexte einkleiden und sich so an ein breiteres Publikum wenden. Die Bezüge sind klar: Die stark von Symbolen geprägte Kunst des Königreichs wird multiperspektivisch aufbereitet und soll ihre junge, lebendige Sicht repräsentieren, unterschiedliche Zugänge sichtbar machen.
Orientierungs-und Fixpunkt dabei ist der bronzene Gedenkkopf, der schon in der ersten Ausstellung zu sehen war, hier als 3 D Scan von Mayowa Tomori digital von allen Seiten zu bestaunen. Der Multimediakünstler beschäftigt sich damit, Kunstobjekte auf diese Art im Internet als Open Source einer breiten Öffentlic-hkeit zugänglich zu machen. Der Gedenkkopf taucht erneut in einer ausgesprochen spielerisch-ironischen Form auf dem Plakatdruck des 1994 geborenen Osaze Amadasun auf, der dem Kopf einen Körper gibt, Arme, Schultern – witzigerweise auch eine Rolex- Uhr – und ihn mit einer Reihe von aktuellen Narrativen umgibt, einer kleinen Karte, auf der der Königspalast des Oba zu sehen ist, Bezug nimmt auf die Strafexpedition der englischen Kolonialmacht 1897, bei der eine Vielzahl der Kunstwerke als Vergeltungsaktion geraubt wurde. Es ist ein geschichtspolitisches Statement, in dem man buchstäblich lesen kann wie in einer Graphic Novel.
Die 1981 in Benin City geborene und in England lebende Schriftstellerin Irenosen Okojie hat den historischen Roman »Butterfly Fish« beigesteuert, in dem sie ihre Familiengeschichte mit dem Königreich Benin verknüpft, und in den sich die Zuhörerschaft hineinlesen kann. Ein weiteres tönendes Objekt ist eine kleine Glocke, deren Ton eingespielt wird: Glocken schmückten die Altäre und wurden als kleine Version von Kriegern um den Hals getragen; ihr Ton sollte Feinde einschüchtern.
Wie ein roter Faden ziehen sich von Osaze Amadasun geschaffene Spielkarten durch die Ausstellung, welche die wichtigsten Symbole der auf den bronzenen Reliefplatten versammelten Darstellungen zeigen, Leoparden, Glocken, den Hahn. Museumsobjekte finden auf diese Weise spielerisch ihren Weg in die breite Öffentlichkeit, und ein erklärender Text ist beigefügt. So einfach, so klar.
Den künstlerischen Positionen folgen – und dies ist nicht der unwichtigste Aspekt dieser Ausstellung – ganz konkrete kunstpolitische Aussagen: der Historiker Rasheed Hassan hat im Sommer 2023 in Benin City Videointerviews mit u.a. den Leitern des Nationalmuseums von Benin und dem Institute for Benin Studies geführt. Sie machen unmissverständlich klar, dass sie sich dafür einsetzen, Forschungen nicht dem westlichen Blick überlassen zu wollen. Dazu gehört auch eine kritische Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte, auch z.B. die Verwicklung des Königreiches in den Sklavenhandel.
Diese Ausstellung kann sich zweifelsfrei auch als sprechender Kommentar zu Positionen lesen lassen, die den Verbleib der in einem kolonialen Zusammenhang erbeuteten, erworbenen Kunstwerke in den Museen Europas wünschen. Da hört man die unterschiedlichsten Gründe: die pflegerische Sorgfalt sei im Heimatland nicht gewährleistet, die Schätze würden nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sondern verblieben in privaten Händen, sie dienten doch dem kulturellen Austausch und der Wertschätzung außereuropäischer Kunst und Kultur. Doch sollte eigentlich derjenige darüber urteilen, dem sie auch gehören.
Die Eigentumsrechte an den Kunstwerken hat der jetzige Präsident Nigerias, Bola Tinubu dem heutigen Oba (König) Ewuare II. übertragen, es soll ein Palastmuseum gebaut werden.

Susanne Asal / Foto: Osaze Aamadadun: Bini Playing Cards
Bis zum 30.12.: Mi., 11–20 Uhr; Do.–So., 11–18 Uhr,
www.weltkulturenmuseum.de

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