Es gab sie, die Frauen, die schreibend Macht hatten und Einfluss ausübten, Frauen, die meinungsbildend waren, in der großen Politik, in praktischen Alltagsfragen; Frauen wie Hilde Spiel oder Elisabeth Noelle-Neumann, Frauen, wie die Gräfin Dönhoff, wie Maria Frisé. Rainer Hank, Kolumnist der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, hat dreizehn schreibende Frauen porträtiert, von Helene Rahms (1918–1999) bis Alice Schwarzer (geb. 1942). Entstanden ist, gleichsam nebenbei, eine kleine, oft amüsante, immer informative (nicht nur Kultur-und Sozial-) Geschichte der Bundesrepublik.
Frauen im Journalismus der Nachkriegszeit. Die vorherrschende Meinung: eine Fehlanzeige. Das Gegenteil ist richtig. Es gab sie, diese Frauen, und nicht erst, wie gerne geglaubt wird, seit den siebziger Jahren. Doch erst in der Nachfolge der Studentenbewegung (»Weiberrat«) wird ein »Emanzipationsmonopol« beansprucht.
Margret Boveri, 1900 geboren, eine der bekanntesten unter ihnen, galt als »die Verkörperung gelebter Emanzipation«. Sie liebte derben Loden, trug Schuhe, als ginge sie auf eine Bergwanderung. Sie wurde in eine bildungsbürgerliche Familie geboren. Mit ihren Eltern, der Vater ist Biologieprofessor, die Mutter eine amerikanische Biologin, reiste sie schon als Kind viel ins Ausland, vor allem in die USA. Sie war mit Uwe Johnson zerstritten und trotzdem befreundet, eine eigenwillige Frau.
Mit 34 Jahren beginnt sie ihre journalistische Karriere als Volontärin beim Berliner Tagblatt. 1940 und 41 berichtet sie aus New York, als »Journalist, Redakteur und Korrespondent« (die weibliche Form lehnte sie ab).) Boveri, strenge Patriotin zudem, nahm den Amerikanern übel, dass Deutschland kapitulieren musste und dass sie »eine Politik der Umerziehung« betrieben, um den Deutschen ihre »nationalsozialistische Gesinnung« auszutreiben. Ihre Abneigung geht so weit, dass sie in ihrer 1946 erschienen »Amerikafibel« schreibt, die Amerikaner seien »stur und dick«, würden nicht das Besondere eines Menschen sehen, sondern alles nivellieren. Ihre Meinung gipfelt in der Behauptung, »die Zivilisation Amerikas ist uniform und simpel«. Amerika ist das Land »der begrenzten Möglichkeiten, einer rigorosen puritanischen Moral, die das Leben der Menschen unfrei macht, es standardisiert, normiert, quantifiziert«. Dagegen ist die Kultur Europas »differenziert und komplex«. Trotz dieser radikalen Überzeugungen blieb sie bis zu ihrem Tod die »Grand Dame«, die viele Leser »elektrisierte.« Sie war wer. Elisabeth Noelle-Neumann, »hochbegabt und eine Legende«, gründete 1947 das »Institut für Demoskopie« in Allensbach, am Bodensee. Selbstbewusst verbreitete sie: »Meine Eltern wussten nicht, was sie mit mir anfangen sollten, weil ich so intelligent war.« »Fleiß, Selbstbewusstsein und Ellenbogen« verhalfen ihr zu ihrem späteren Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaften an der Mainzer Universität. Sie galt als »Pionierin der Analyse der öffentlichen Meinung«. Nach ihrem Aufenthalt in USA, wo sie George Gallup, den Begründer empirischer Umfrageforschung kennenlernt, bringt sie dessen Methoden mit nach Deutschland. Sie ist überzeugt davon, dass Meinungsumfragen massenhaft notwendig sind, »um die Gesellschaft zu verstehen«. Ihr Hauptwerk, »Die Schweigespirale«, 1980 erschienen, beinhaltet »eine Theorie der öffentlichen Meinung«. Als der willensstarken, aber auch äußerst kapriziösen Frau ihre einstige Nähe zur NSDAP vorgeworfen wird, wehrt sie sich mit allen Mitteln, »Spott, Polemik, Wut und gerne auch mit Hilfe von Gerichten«.
Auch Gräfin Dönhoff erstrahlt in einem durchaus kritischen Licht. Ebenso Christa Mewes, deren Feldzug gegen den Zeitgeist am Ende fast komische Züge annimmt. Aber immer, in allen Darstellungen, werden die Verdienste dieser Frauen deutlich sichtbar.
An den Frauen, die Hank porträtiert, schätzt er vor allem: »Sie lebten einen Feminismus, ohne sich als Feministin zu bezeichnen, eine Bezeichnung, die sie eher als Verweichlichung, Verweiblichung, Selbstzurücksetzung interpretiert hätten«. »Sie wollten einfach Karriere machen, so wie die Männer. Dass sie dabei ein anderes Schreiben entdeckt haben, ist ›unintended consequence‹, aber ihre eigentliche Leistung.«
Das Buch präsentiert sich zwar als eine Sammlung von einzelnen Porträts, jeweils ein Foto der porträtierten Frau ist vorangestellt, tatsächlich aber ist es konzipiert als ein Netzwerk, in dem Beziehungen sichtbar werden, Einflüsse, auch Abhängigkeiten gekennzeichnet sind und dadurch Grundzüge einer (west-) deutschen Nachkriegsgeschichte aufscheinen. »Plötzlich«, betont Hank in seinem Prolog zu recht, eröffnete sich »die Welt von gestern als unglaublich heutig.«
Angereichert wird das Ganze immer wieder durch zum Teil kuriose Anekdoten, wie etwa der Intervention eines offenbar etwas kurzsichtigen FAZ-Herausgebers, der in der »Neuen Revue« (!) vermeintlich das Foto einer neu eingestellten Redakteurin zu erkennen meinte, deren spärliche Bekleidung ihm offenbar die Augen getrübt hatte, und der deshalb, trotz nur geringer Ähnlichkeit, auf dem Bild die neue Kollegin zu erkennen meinte.
Hank porträtiert seine Frauen, vielleicht von Clara Menck und Alice Schwarzer abgesehen, in aller Regel mit viel Sympathie, aber keineswegs unkritisch. So moniert er, ziemlich verständnislos, bei Hilde Spiel, die selbst jüdischer Herkunft war und nur in der englischen Emigration überleben konnte, »die barsche Ablehnung jeglicher Solidarität mit den jüdischen Opfern des Nationalsozialismus.«
Hanks Fazit: »Diese Journalistinnen waren nicht nur als Frauen Pionierinnen in Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Fernsehen. Sie waren zugleich Pionierinnen für die Sache der Frauen.« Und, das ist hinzuzufügen, es sind allesamt interessante Gestalten.
Das Buch öffnet Augen.
Und es ist auch deshalb als Geschenk geeignet, nicht nur für Frauen, sondern natürlich auch für Männer.