Robert Blacks Thriller »Blizzard«

Kann man den gewaltigen Schneesturm, der im Winter 1978 Norddeutschland heimsuchte, einen Blizzard nennen? Darüber lässt sich trefflich meteorologisch debattieren. Dem Hamburger Autor Robert Brack jedenfalls bietet die Wetterkatastrophe, der allein in der damaligen Bundesrepublik 17 Menschen zum Opfer fielen, die perfekte Kulisse für einen klaustrophobischen Zeitgeschichtsthriller. Was zunächst wie ein einheimischer Beitrag zum populären Heist-Genre daherkommt, endet als hochdramatische Gewaltstudie. Dabei möchte Gisela, die wegen Bankraubs bereits eine Haftstrafe abgesessen hat, nichts weiter, als mit ihrem Komplizen und Liebhaber Frieder nach dessen Entlassung eine kleinbürgerliche Existenz aufzubauen, am liebsten irgendwo in der schwedischen Provinz. Das notwendige Kapital soll durch einen Überfall auf ein Hamburger Juweliergeschäft besorgt werden. Doch der Traum von Bullerbü endet blutig. Eine Informantin spielt falsch, es fallen Schüsse und eine überhastete Flucht beginnt. Es ist ein seltsames Figurenensemble, das sich in zwei Autos hinein in das Schneedesaster bewegt, und jede einzelne scheint eigene Interessen zu verfolgen. Das Objekt der Begierde ist die Beute, ein legendäres Collier mit wechselvoller Geschichte und von unschätzbarem Wert, genannt »Blizzard« und mehr als ein bloßer MacGuffin. Von einem jüdischen Künstler im Auftrag einer von den Nazis deportierten Industriellenfamilie entworfen, steht es für die Schrecken der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Und glücklich kann damit niemand werden.
Robert Brack erzählt multiperspektivisch und auktorial mit einem Sinn für Überraschungseffekte. Sprachliche Wucht gewinnt der Roman, wenn die elementare Gewalt eines Extremwetters beschrieben wird, dem keine menschliche Ambition gewachsen ist. Am Ende verschwindet der Blizzard. Und es bleiben zwei Überlebende übrig – und ein mühsam ins Eis geschlagenes Loch.

Joachim Feldmann (Foto: © Charlotte Gutberle)

 

 

 

 

 

Robert Brack: Blizzard.

Thriller.

Ellert & Richter Verlag, Hamburg 2021. 283 Seiten, 12 Euro.

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