Schauspiel Frankfurt: Felicitas Brucker inszeniert Friedrich Schillers »Don Carlos«

Eigenwillig, spannend, plausibel aber nicht ohne Brüche ist Felicitas Bruckers Inszenierung von Friedrich Schillers Drama »Don Carlos« im Großen Haus des Frankfurter Schauspiels. Die Regisseurin hat auf Basis einer frühen Prosafassung des Autors nicht nur das Bühnenpersonal, sondern auch das Spektrum der Themen reduziert. Weitgehend ausgeblendet bleibt der religionsideologische Komplex samt Großinquisitor in dieser Nahaufnahme des Machtgefüges in einem despotischen Staat, untergewichtet wird die im Aufstand Flanderns gegen die spanischen Besatzer thematisierte politische Dimension des Historienstücks, fokussiert dafür auf einer laborhaft weißen leeren Bühne mit geschlossener Decke das diffizile Beziehungsgeflecht der Akteure, die in einer Atmosphäre allseitigen Misstrauens von Beginn an alle zugegen sind, als wär’s ein Stück aus den Zehnerjahren.
Erzählt wird, wie der Marquis von Posa (Christoph Bornmüller), Idol zahlloser Generationen von Oberschülern und gewiss auch Alter Ego des Autors, seinen in Liebesgram versunkenen Freund, Prinz Carlos, (Torsten Flassig) für den Freiheitskampf im okkupierten Flandern gegen die Spanier gewinnen will, dabei aber erkennen muss, dass er den möglichen Thronfolger am Hof in Madrid nur über die Gattin seines Vaters, des Königs Philipp II, (Matthias Riedlhammer) erreicht. Diese, Elisabeth (Tanja Merlin Graf), war dem Prinzen einst versprochen, ging aus politischem Kalkül aber an den Papa. Obwohl der Marquis sich in dem von allseitiger Bespitzelung geprägten königlichen Hof sogar das Vertrauen Philipps erschleicht, geht sein Spiel gründlich daneben.
Auch wenn seine Forderung nach Gedankenfreiheit an Philipp nicht mehr beklatscht zu werden braucht, reißt uns der Dialog des Marquis mit dem Despoten da, wo er politisch wird, immer wieder schmerzlich ins aktuelle Weltgeschehen. Der auf Gaze projizierten Bilder (Videos: Florian Seufert) von Raketenrampen und Gerippen ausgelöschter Städte aus der Drohnenperspektive hätte es dazu nicht gebraucht. Auch nicht der Rap-Performance zu Kate-Tempests »Europe is lost« von Christoph Bornmüller vor einer von Monitoren mit Kriegsbildern übersäten Wand, die gelichwohl zu einem Höhepunkt des Abends wird.
Mit dem »Love Song« von Robert Smith’s The Cure krönt auch Sarah Grunert ihr feines Spiel einer den Machtgeschicken ausgelieferten subalternen Frau. Matthias Riedlhammer weiß Philipp II einen festen Charakter zu geben, was für Stefan Grafs Herzog Alba, den Generalschergen der Fassung, quasi schon von Berufs wegen entfällt und Torsten Flassigs fahrigem Prinzen einfach nicht gegeben ist. In ihrem brustbetonenden Kostüm lässt Tanja Merlin Grafs statuarische Elisabeth das ihr angelegte Gefühlskorsett des Hofes körperlich spüren, während ihre Mimik anderes verrät. Unsere übrigens auch, als das Gewusel um kursierende, abgefangene und gestohlene Briefe und ein aufgebrochenes Schmuckkästchen unentwirrbar auszuufern scheint: Ist das noch Moliére oder schon Hesselbach? Dass Felicitas Brucker das männliche Personal am Ende ratzeputz beseitigt, ist eine akzeptable Antwort auf eine ausweglose Situation und kein bisschen feministisch.

Winnie Geipert / © Thomas Aurin
Termine: 7. April, 18 Uhr; 13. April, 19.30 Uhr; 21. April, 16 Uhr; 27. April, 19.30 Uhr
www.schauspielfrankfurt.de

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