Das inszenatorische Verfahren ist alles andere als neu. Das Theater wird zur Bühne einer satirischen Fernsehshow. Es ist die Rolle des Staates und der Sicherheitsbehörden mit Blick auf rechtsradikal motivierte Gewalttaten, die der Dramatiker und Regisseur Nuran David Calis ins Visier nimmt in »Leaks. Von Mölln bis Hanau«, seinem neuen an den Kammerspielen des Frankfurter Schauspiels uraufgeführten Stück, nach »NSU 2.0« vor drei Jahren an gleicher Stelle.
Die Stilmittel dieses Dokumentartheaters auf der knallig-bunten Bühne von Anne Ehrlich sind die des Kabaretts, mitunter zeitgeistig aufgepusht mit Electropopbeats. Es ist vor allem eine fatale, bis zurück in die Adenauerzeit reichende Kontinuität, der das vierköpfige, mit Horrorclowngesichtern geschminkte Ensemble um Katharina Linder, Viktoria Miknevich, Christoph Bornmüller und Wolfgang Vogler mit komödiantischen Mitteln nachgeht.
Als 1950 unter der Obhut der Alliierten das Bundesamt für Verfassungsschutz gegründet worden ist, ging die Zielsetzung dahin, einem erneuten Aufkommen des Faschismus vorzubeugen. Die Schlüsselposten jedoch wurden mit Altvorderen aus der Nazizeit besetzt. Dass der Verfassungsschutz als Hort von Altnazis sich auf den Kommunismus fokussierte, ist unter den Vorzeichen des Kalten Krieges durchaus im Sinne der Alliierten gewesen. Über die Jahrzehnte hinweg ist der Verfassungsschutz eine zwielichtige Organisation geblieben, mit Querverbindungen zur rechten Szene, für die prominent der Name des ehemaligen Präsidenten Hans-Georg Maaßen steht, heute Vorsitzender der rechtslastigen Werteunion. Der Verfassungsschutz schaute weg bei Umtrieben wie jenen der Wehrsportgruppe Hoffmann, Quellort früher rechtsterroristischer Gewalttaten. Zwielichtig auch die Rolle bekanntlich bei der NSU-Mordserie – und der damalige Hessische Innenminister und spätere Ministerpräsident Volker Bouffier war bei der Aufklärung nicht wirklich hilfreich.
Die Untaten des NSU wurden als »Döner-Morde« dem migrantischen Milieu selber zu geordnet, das damit zugleich als verstärkt kriminalitätslastig gebrandmarkt wurde. Immer wieder wurde bei rechtsradikalen Mordtaten polizeilicherseits von Einzeltätern ausgegangen, erst nach Jahren wurden sie als »politische Gewaltkriminalität – rechts« anerkannt.
Das weiß man natürlich alles aus der Zeitung. Fortwährend werden historische Aufnahmen auf Monitoren und einer Projektionsfläche gezeigt. Kein Zweifel, dass grundsätzlich die richtigen Fragen gestellt werden, etwa jene danach, weshalb Helmut Kohl 1992 nicht an der Trauerfeier für die Opfer von Mölln teilgenommen hat. Christoph Bornmüller veralbert Kohls Regierungssprecher Dieter Vogel, der erklärt hatte, man wolle nicht einem »Beileidstourismus« Vorschub leisten, als grotesken Vogel am Rednerpult.
Mit Blick auf ein in der Tendenz liberal-aufgeklärtes Theaterpublikum erscheint Calis‘ aufklärerische Lehrstunde fehladressiert. Das mag mit seinem zusammenfassenden Informationswert gut für Schulklassen taugen.
Am ehesten noch hallt die Frage nach, die das abgeschminkte Ensemble am Ende in den Raum stellt. Wir können dem Vormarsch der Rechten, wird da behauptet, nichts entgegensetzen, denn dafür müssten wir uns in den Mitteln unseren Gegnern angleichen, unter Verrat an der Freiheitlichkeit. Festhalten an den Werten der Demokratie also »bis zur Selbstauslöschung«? (So die letzten Worte vorm finalen Blackout.) Da sollten Gesellschaft und Staat sich besinnen, und die Feinde der Demokratie robust von deren Machtzentren fernhalten.