Schwerverbrecher an die Macht – Die Volksbühne im Hirschgraben eröffnet dialektfrei mit »Reineke Fuchs«

Die erste Premiere der Saison im Frankfurter Hirschgraben war eigentlich keine: Die Revolution von 1848 hat die Volksbühne zunächst im Hof des Karmeliterklosters stattfinden lassen, und dann erst lief »Feuer! De Maa brennt« im guten alten Cantate-Saal, den der eine und die andere sogar noch als Kino (Lupe 2) in Erinnerung haben mag. Jetzt also, sprich am 12. Oktober, steht die wirkliche Premiere an, die freilich auch ihre Geschichte hat. Denn »Reineke Fuchs« war nicht zuletzt als schauspielerische Verneigung vor dem großen Nachbarn und Genius Loci Johann Wolfgang Goethe dazu ausersehen, die Sesshaftigkeit der ehedem fliegenden Volksbühne zu manifestieren – sprich: als allererstes Stück im neuen Domizil. Es kam anders, weil es plötzlich bauliche Verzögerungen gab – manche nannten sie Schlampereien – und dann Corona. Lassen wir es dabei bewenden, der große Brückenschlag kommt halt eine Olympiade später.
Goethes Fassung der niederdeutschen Volksfabel »Reineke Fuchs« als Versepos handelt, auch wenn es heute primär als Kinderbuch betrachtet wird, von nichts anderem als von einem sich mit Lügen, falschen Behauptungen, Meinungsmanipulation in das Zentrum der politischen Macht hievenden skrupellosen Verbrecher. (Und findet sich wohl deshalb auch im Repertoire des Theater Willy Praml.) An der Volksbühne im Großen Hirschgraben steht unter der Regie von Matthias Faltz nun eine von ebendiesem erstellte Bühnenfassung mit nicht weniger als 13 Schauspielern (Alexander J. Beck, Melissa Breitenbach, Pirkko Cremer, Ekaterina Khmara, Ulrike Kinbach, Franziska Knetsch, Michael Köckritz, Natanaël Lienhard, Sebastian Muskalla, Detlev Nyga, Michael Quast, Irina Ries, Teresa Steffgen) an, wobei die Rolle des bösen Reineke Fuchs wohl außer Diskussion steht. Genug Personal ist das allemal, alle Figuren von Isegrim, dem Wolf, und König Nobel, dem Löwen bis Hinz, dem Kater und Frau Juppe, der Pfarrköchin wirkungsvoll zu besetzen. Dabei wird – aufgemerkt! – auf Tierkostüme aber ebenso verzichtet wie auf Dialekt. Nicht aber auf Musik, für die Christian Keul als Komponist und musikalischer Leiter steht.

Winnie Geipert / Foto: © Andreas Malkmus
Termine: 12. (Premiere), 14. Oktober, jeweils 20 Uhr
www.volksbuehne.net

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