Senckenberg: Zwei Künstlerinnen bespielen das Riff mit »Looking für Medusa«

»Triff das Riff!« lautet die Losung, mit der das Senckenberg Naturmuseum zum Besuch einer Ausstellung auffordert, die über Kenntnisse hinaus wesentlich Aufmerksamkeit für die akute Gefährdung dieses einzigartigen Ökosystems der Unterwasserwelt schaffen will. Rund um das faszinierende Modell eines raumgreifenden tropischen Korallenriffs hat das Museum vor gut einem Jahr – und corona-verzögert – ein Projekt ins Leben gerufen, das die Bedeutung der Korallenriffe und ihrer Erhaltung thematisiert. Die erste von insgesamt drei geplanten Etappen war dabei der gesellschaftlichen Perspektive gewidmet. Videos gab es hier zu sehen von und mit Riff-Schützern, von und mit indigenen Bewohnern einer Südseeinsel, und viel zu lesen. Grundsätzliches, aber auch Praktisches etwa zur Frage, ob und wie die Nutzung von Bräunungs- und Sonnencremes den Bestand der Korallenriffe tangiert.
In einer zweiten, nunmehr künstlerischen Etappe, der als dritte die der wissenschaftlichen Forschung folgen soll, hat das Senckenberg die Bildhauerin Linda Weiß und die Klangkünstlerin Nina M.W. Queissner eingeladen, sich künstlerisch mit der Riff-Problematik auseinanderzusetzen. Das Ergebnis ihrer Arbeit ist »Looking for Medusa«, eine mehrteilige, den Raum um das Riff-Modell füllende Raum- und Klanginstallation, die man multisensorisch nennen könnte. Zentrum der Arbeit ist eine mit Seegras gepolsterte höhlenartige Liegefläche. Unter Fischernetzen lässt sich hier mit offenen oder geschlossenen Augen und von dem Geruch getrockneter Wasserpflanzen umgeben auf eine Tiefseereise gehen, die uns akustisch mit dokumentarischen Aufnahmen gleichsam umhüllt. Dann knackt und knackst es, wenn die Putzerfisch-Truppe sich an den Riffs pickend zu schaffen macht, es blubbert aus Blasen und röhrt aus der Ferne. Und es dröhnt und grollt tief donnernd mit Magenbeben auslösenden Vibrationen, wenn Schiffe über uns kreuzen. 13 meditative Minuten dauert der Trip, der jedes Mal anders klingt und keinesfalls versäumt werden sollte.
Die Idee, ihrer Arbeit das Schicksal der von der Frauenbewegung als Opfer toxischer Männergewalt wiederentdeckten mythischen Gorgonen-Tochter zugrunde zu legen, geht auf Ovid zurück. Der Erzählung zufolge legt Perseus den von ihm enthaupteten blutigen Schlangenschopf der Gorgonen-Tochter auf Seetang ab, der sich dadurch versteinert – der Ursprung der Korralen. Alles, was die Künstlerinnen ideell und praktisch zu Rate zogen, ist in einem Großkubus im Vorraum des Senckenberg-Riffs ausgestellt, auch der sie inspirierende Medusa-Roman »Stone-Blind« der britischen Schriftstellerin Nathalie Haynes.

Lorenz Gatt / Foto: © Sven Tränkner
Bis 14. Januar 2014: Di. Do. 13-17 Uhr, Mi. 10-18 Uhr Fr.-So. 10-17 Uhr.
www.museumfrankfurt-senckenberg.de

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