Staatstheater Mainz bringt »Parliament Square« des britischen Dramatikers James Fritz im U17 auf die Bühne

Spartanischer kann eine Bühne kaum eingerichtet sein: Mehrere weiße, hohe, verschiebbare Stellwände sowie drei weiße Holzblöcke, die je nach Situation als Bett oder Stuhl fungieren – mehr braucht es nicht an Requisiten (Bühnenbild: Sam Beklik). Nichts soll den Zuschauer vom zentralen Thema des Stücks ablenken: Wie weit kann und muss ein Einzelner gehen, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen?
James Fritz Sozialdrama »Parliament Square«, das in deutschsprachiger Erstaufführung im U17 des Staatstheaters Mainz gezeigt wird, hat sich den großen existenziellen Fragen verschrieben. Wie viel Leid muss ein Mensch ertragen? Welchen Wert hat ein Leben und ist Selbstmord ein Mittel, die Welt zu erlösen? Protagonistin Kat (Lisa Mies) ist bereit, zum Äußersten zu gehen. Auf dem Parliament Square in London will sie sich mit Benzin überschütten und anzünden, um sich mit diesem qualvollen Tod in die Köpfe der Menschen zu brennen. Wogegen sie genau protestiert, bleibt unklar, der Autor hat den Grund bewusst nicht genannt und auch Borchers Inszenierung deutet nur an, dass es wohl um den allgemeinen Verfall der Gesellschaft (soziale Ungerechtigkeit, Wohnungsnot, Armut) geht. Dennoch ist man als Zuschauer konsterniert, lässt Kat doch ihre kleine Tochter Jo (Luise Ehl), und Ehemann Tommy (Klaus Köhler) zurück. Was wiegt das Leid der zurückgelassenen Familie gegen das Leid der Welt? Doch bevor Kat die ersten qualvollen 15 Sekunden übersteht – solange dauert es, bis die Nervenenden verbrannt sind und man keinen Schmerz mehr spürt – wird sie von der jungen Catherine (Antonia Labs) gerettet, die die Flammen spontan mit ihrer Jacke erstickt. Von den Brandwunden für immer gezeichnet, kämpft sich Kat ins Leben zurück und ist am Ende dankbar, so scheint es, dass sie weiterhin Mutter und Ehefrau sein darf.
Doch nicht nur ihr Leben hat sich verändert. Auch das der Lebensretterin Catherine. Die aber hadert im Laufe der Jahre zunehmend mit ihrer Tat. Immer wieder sucht sie das Gespräch mit Kat und ist am Ende sogar überzeugt, das von ihr vereitelte Werk selbst vollenden zu müssen. Fritz orientierte sich bei seinem Drama an realen Beispielen, deren es viele gibt. Eines der bekanntesten der vergangenen Jahre ist wohl die als Auslöser des Arabischen Frühlings geltende Selbstverbrennung des Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi am 17. Dezember 2010 in Sidi Bouzid (Tunesien). Hat Kat auf eine ähnliche Wirkung gehofft? Und wird die Welt dadurch wirklich zu einem besseren Ort? Fragen, die unbeantwortet bleiben, obwohl man sich zumindest einen Deutungsansatz gewünscht hätte. Auch wenn das Stück einige Schwächen offenbart, füllen die Darsteller, allen voran Lisa Mies als verzweifelte Weltverbesserin und Antonia Labs als entschlossene Kämpferin, die Leerstellen gut aus. Ein bewegender Theaterabend.

Verena Rutkowski / Foto: © Andreas Etter
Termine: 3. Juni, 8. Juli, 20 Uhr
www.staatstheater-mainz.com

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