»Am laufenden Band«, »Herzblatt«, »7 Tage, 7 Köpfe« – so lauten die großen Klassiker der Abendunterhaltung von den 70ern bis in die 90er Jahre. Das Gesicht hierzu: Rudi Carrell, ein holländischer Showmaster und Erfinder vieler beliebter Fernsehsendungen. Für das Staatstheater Mainz nimmt sich sein Landsmann Marcel Hensema in dem Solo »Showmaster ist mein Beruf« der Vita des großen Entertainers an. Er ist zugleich Ideengeber des Stücks, das er zusammen mit David Gieselmann und Luis Dekant geschrieben hat.
Die ganze Aufführung ist wie eine Show aufgebaut, in die das Publikum von Beginn an mit einbezogen wird. Die vordersten Sitzreihen im Kleinen Haus wurden entfernt, stattdessen stehen dort wie in einem Bistro rund zehn kleine runde Tische mit Stühlen für die Zuschauer. Hensema bringt Getränke und stellt sich zunächst einmal vor. Für den in Holland bekannten Schauspieler ist es das Debut auf einer deutschen Theaterbühne.
Ein paar dreieckige Trennwände, ein weißer Drehhocker und eine Garderobenstange mit vielen Anzügen, in die er im Laufe des Abends schlüpft – mehr braucht es für Hensema nicht an Bühnenbild, um Carrell wieder zum Leben zu erwecken. Mit viel Satire, Humor und Musik nähert er sich dem deutschen Fernsehstar, mit dem er sogar eine biografische Gemeinsamkeit teilt: Beide sind in der Provinzstadt Alkmaar aufgewachsen.
Liebevoll imitiert Hensema die dunkle, warme Stimme seines Konterfeis und stellt auszugsweise dar, welchen Fleiß und welchen Perfektionismus Carrell an den Tag legte, um zu einer Ikone des deutschen Fernsehens zu werden. Nie ruhte er sich auf seinem Erfolg aus, immer war er auf der Suche nach neuen Ideen, denn »Showmaster ist mein Beruf«. Der titelgebende Song darf in der Aufführung natürlich nicht fehlen, genauso wenig wie das Nachspielen einer Herzblatt-Folge (mit »Freiwilligen« aus dem Publikum).
Doch Carrell war nicht nur gute Laune und Sonnenschein, Hensema beleuchtet auch dessen Schattenseiten: cholerische Anfälle, Sexismus und Frauengeschichten, exzessiver Konsum von Alkohol und Zigaretten. Im Laufe der Aufführung wechseln sich Glanz und Makel zunehmend schneller, doch immer leichtfüßig ab, so dass man als Zuschauer nicht weiß, ob man Carrell nun für einen genialen Entertainer oder für einen üblen Chauvinisten halten soll. Jüngeren mag es schleierhaft erscheinen, dass er für viele Babyboomer ein Kindheitsheld war. Doch sind seine Errungenschaften für die TV-Welt dadurch nicht weniger wert. Im Konzipieren von Unterhaltung gehörte Carrell zu den Größten, was die »kritisch-liebevolle Hommage«, wie Hensema sein Stück nennt, gelungen herausstellt. Ein Abend zum Abschalten und Genießen.