Staatstheater Wiesbaden bringt das Political »Das Ministerium«

Zwei Jahre nach der satirischen Beleuchtung einer Art Amigo-Affäre der Wiesbadener Kommunalpolitik in »Casino« steht die Landesregierung, genauer, deren Ministerin für Kunst und Wissenschaft im Fokus der Bühne des Hessischen Staatstheaters. Mit andern Worten: der eigene Arbeitgeber. »Das Ministerium« titelt das Ergebnis des erneut an Clemens Bechtel und David Gieselmann ergangenen Autorenauftrags. Ein Political, das die Geschichte vom steilen politischen Aufstieg einer jungen Frau und Mutter namens Annika zur Ministerin behandelt; einer Kröten-Retterin aus Gießen, die als Jungstar der Grünen auf ein Amt gehievt wurde, für das sie sie sich als völlig überfordert erweist. Nicht nur ihre politisierende coole Tochter im Pubertätsalter hat daran etwas auszusetzen, auch eine alte Schulfreundin kommt ihr als Reporterin in die Quere.
Trotz augenfälliger Parallelen zur Karriere der Grünen-Politikerin Angela Dorn firmiert das Stück als »Recherchearbeit über den aktuellen Zeitgeist in der Politik – im Kontext des Imperativs der medialen Selbstprofilierung und Dauerempörung«. In ersten öffentlichen Reaktionen wird das Stück allerdings überwiegend als Abrechnung des so umtriebigen wie streitlustigen Wiesbadener Intendanten Uwe Eric Laufenberg verstanden.
Nach zehnjähriger Intendanz und sich zuletzt rapide zuspitzenden Konflikten insbesondere (aber nicht nur) mit seinen Vorgesetzten in der Politik läutet Laufenberg mit »Das Ministerium« seine unter das Motto »Letzte Werke« gestellte letzte Wiesbadener Spielzeit ein. Die nächste übernehmen bekanntlich Dorothea Hartmann und Beate Heine als Doppelspitze. Der auch als Schauspieler und häufiger noch als Regisseur aktive eigenwillige Theatermacher hat zuletzt mit umstrittenen Corona-Monologen, dem Engagement der russischen Diva Anna Netrebko für die Maifestspiele, aber auch in Personalfragen des eigenen Hauses für teilweise durchaus selbst forcierte (und spannende) öffentliche Aufregung gesorgt. Nun dürfte man sich nicht nur in der Landeshauptstadt fragen, wie das »Political« die Rolle des Auftraggebers selbst reflektiert. Vor zehn Jahren hat Laufenberg seine Entlassung als Kölner Opernintendant mit einer eigenen künstlerischen Note quittiert: dem mafiösen Satireroman »Palermo«. Indes dürfte David Gieselmann, den wir auch als Autor der Mainzer Wirecard-Satire »Villa Alfons« kennen, als einer der bekanntesten deutschen Theaterautoren sich gewiss nicht vor jeden Karren spannen lassen.
Die Rolle der Grünen-Ministerin in »Das Ministerium« übernimmt Marie Luisa Kerkhoff, ihrem Kollegen Martin Plass ist die Figur des Mannes anvertraut, der mit der Behörde in Konflikt gerät: allerdings als Museumsdirektor. Auffällig: Während das Spielzeitheft das Political im Stil des Demagogen-Blatts Bild ankündigt und dabei die Namen der beiden Protagonisten noch unmissverständlich mit Annika Korn und Gehtal (!) verballhornt, sind diese auf der Website mit Annika Grohn-Kamp und Dieter Eskendahl vermerkt. Egal, wir sind gespannt.

Winnie Geipert / Foto: © Sven-Helge Czichy
Termine: 15. (Premiere), 22., 23., 29., 30. September, jeweils 19.30 Uhr
www.staatstheater-wiesbaden.de

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