Staatstheater Wiesbaden zeigt Oscar Wildes »Bunbury«

Um Schein und Sein geht es in Oscar Wildes berühmter Komödie »Bunbury« oder, im Original, »The Importance of Being Earnest«. Die Inszenierung von Regisseur Johannes Lepper im Kleinen Haus des Wiesbadener Staatstheaters macht von Anfang an keinen Hehl daraus. Bunte Schmetterlinge, die flatterhaften Meister der Verpuppung, schmücken die dunklen Tapeten im von Robert Schweer gestalteten Bühnenraum. Christoph Kohlbacher schlendert als Algernon Moncrieff noch hüllenlos, aber mit Zigarettenspitze und Sektglas Eleganz ausstrahlend, herum. Seine Rolle in der Gesellschaft muss der betont tuntige Dandy, der auch mit seinen sanften Föhnwellen an den Schöpfer seiner Figur erinnert, mit den aus Vorhangstoffen bestehenden Kleidern (Kostüme: Anne Buffetrille) noch anlegen. So aufwendig wie bei Glenn Close in Stephen Frears Filmdrama »Gefährliche Liebschaften« wird das nicht, doch man fühlt sich durchaus daran erinnert.
Trauen, das stellt sich schnell heraus, darf das Publikum diesem ruhigen Beginn nicht. Der Wortwitz Wildes, der auch mehr als 125 Jahre nach der Uraufführung des Lustspiels 1895 in London noch nicht an Esprit und Originalität verloren hat, wird an diesem zweistündigen Abend ohne Pause nicht im Vordergrund stehen. Krawallig geht es zu, sobald Moncrieff und sein Freund John Worthing (Matze Vogel) aufeinandertreffen. Beide haben sich, um ihren Verpflichtungen zeitweise zu entkommen, Geschichten ausgedacht: der eine einen kranken Freund, der andere einen verlotterten Bruder. Obwohl der Hang zu Lug und Trug die beiden oberflächlichen Schönlinge demnach verbindet, geraten sie aneinander. Bei der Prügelei sticht der eine dem anderen offenbar ein Auge aus und verspeist es. Oder eben auch nicht. Wahrheit und Fantasie lassen sich schwer auseinanderhalten.
Sportlich bleibt’s auf jeden Fall. Zwischen Butterbrot, Gurkensandwichs und überzuckertem Tee probt Butler Lane (Dino Niethammer) beeindruckende Breakdance-Elemente, Christina Tzatzaraki turnt als Worthings resolutes Mündel Cecily sinnlos auf einer Leiter herum, Christian Klischat steigt als Pfarrer Chasuble aufs Klavier, Lina Habicht legt als dauerschreiende Tochter der dominanten, geldgierigen Lady Bracknell – Evelyn M. Faber als Double von »Vogue«-Chefin Anna Wintour – beim aggressiven Liebesspiel ihren Lover aufs Kreuz, und schließlich wird, inmitten von Nebel, noch zu »Time of My Life« eine berühmte Szene aus »Dirty Dancing« nachgestellt und mit Lichtschwertern ein Duell wie bei den Jedi-Rittern ausgetragen.
Bereichernd wirkt dieser Klamauk nicht, lenkt eher ab von der beißenden Ironie und Scharfsinnigkeit des Textes, die allein noch immer ausreichen würden, um sich prächtig zu amüsieren. Ein bisschen Gendern darf heutzutage nicht fehlen. Die diversen Paarkombinationen werden in allen möglichen Varianten durchgespielt, bis, begleitet von ein wenig Erleichterung angesichts all des Trubels, die ganze durchsichtige Blase zusammen mit einem Luftballon platzt.

Katja Sturm (Foto: © Forster)

Termine:
25. Dezember, 19.35 (!);
7. Januar, 19.30 Uhr; 30. Januar, 16 Uhr,
www.staatstheater-wiesbaden.de

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