Sunrise. East. Skulpturen von Ugo Rondinone im Garten des Städel

Auf dem Weg zu einem Museum ohne Wände ist das traditionellste Haus seiner Art in Frankfurt ein ganz schönes Stück weit gekommen: Im rückwärtigen Garten des Städel stellt der Schweizer Maler und Bildhauer Ugo Rondinone aus, und das selbstverständlich nicht irgendwie: seine bereits im Jahr 2006 geschaffene Werkgruppe »Sunrise.East.« aus zwölf etwa zwei Meter hohen Skulpturenköpfe gruppiert sich in einem weiten Rund um den zentralen Hügel dessen, was eigentlich das Dach der darunter liegenden Abteilung für zeitgenössische Kunst ist. Und dieses Dach ist, wie man weiß, mit Rasen begrünt und mit Lichtkuppeln versehen, also ein sehr anspruchsvoller Untergrund für eine solche Installation, weil sie schon sehr viel vorgibt. Aber nicht so für die ulkigen Masken des Ugo Rondinone. Man könnte direkt meinen, sie wüchsen aus der Abteilung heraus, und riskierten auch schon mal einen Blick nach unten, dorthin, wo sie zeitgeschichtlich ja auch zu verorten wären. Dieses Wechselspiel ist lustig, und vor allem – es ist einmal eines.
Man kann natürlich alle möglichen kunstgeschichtlichen Hinweise bemühen – Stonehenge etwa oder auch die Moai auf der Osterinsel – aber man kann es genauso gut bleiben lassen und sich auf das konzentrieren, was dort zu sehen ist: Aus Aluminium gegossene Köpfe von etwa zwei Metern Höhe auf Betonsockeln, die in ihrer Struktur Holz imitieren. Das Aluminium ummantelt eine Keramikform und ist mit zahlreichen Finger-und Handspuren übersät, um die Stofflichkeit des Materials und auch seine Beseelung zu betonen. Und es spiegelt die Natur gleich mit: bei Sonne strahlt es, bei Wolken glüht es ein wenig von innen heraus, und in der Nacht sieht es bestimmt ganz toll und zugleich ein wenig gruselig aus.
Diese Skulpturenköpfe – jeder steht für einen Monat im Jahr und für jeden Entwurf gestattete sich der Künstler nur einen Tag Zeit – leben nur von den elementarsten Gestaltungsmitteln. Augenhöhlen, Zähne so dünn wie Finger oder so dick wie Steinquader, Mundwinkel so grinsend wie der unglaubliche Conrad Veidt im »Mann der lacht« oder heruntergezogen wie bei Verstimmten. Sind sie Masken, symbolisieren sie Seinszustände? Der Mangel an Mimik ist jedoch genau das Kapital, aus dem sie ihre künstlerische Kraft beziehen: Sie sind einfach da, sie leben, sie betonen die Existenz der Vielfalt, aber auch der Rätselhaftigkeit. Je länger man sie betrachtet, je länger man in dem Kreis umherwandert und man ihnen auf ihre Spur kommen will, umso eindeutiger setzen sie ein Zeichen von Leben abseits jeglicher Normen. Sie sind einfach da, und ein großer, ein wirklich großartiger Gewinn. Unmöglich, sich nicht in sie zu verlieben.

Susanne Asal / Foto: Ausstellungsansicht, © Städel Museum/Norbert Miguletz
Bis 5.11. im Städel Garten: Di., Mi., Fr., Sa., So., 10–18 Uhr; Do., 10–21 Uhr
www.staedelmuseum.de

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