Spannend wie ein Krimi hört sich die Geschichte des vor nahezu exakt 150 Jahren von Hans Thoma geschaffenen »Jahreszeitenzyklus« an, der im Kabinett des Historischen Museums Frankfurt nun fast vollständig zum allerersten Mal der Öffentlichkeit zu Ansicht steht: ein auf Gipsputz entstandenes siebenteiliges Ensemble von Wandgemälden, das der Künstler 1874 für den Kaufmann Alexander Gerlach im Gartensaal seines Anwesens Guiollettstraße 34 im Frankfurter Westend schuf. Die Villa, die – wenn auch umgebaut und ohne Gartensaal – noch immer steht, ging 1898 an den schon 1912 verstorbenen Cassella-Direktor Albert Ullmann und seine Frau Hedwig.
Spannend wie Krimis sind gewiss viele Geschichten von notveräußerten Gemälden und Kunstobjekten in der mehr als kriminellen Zeit des Nazi-Regimes, das ausreisewillige Bürger mit jüdischen Wurzeln dazu nötigte, eine »Reichsfluchtsteuer« und eine Vermögensabgabe zu entrichten, sprich: zur Finanzierung ihrer Rettung ihr Hab und Gut weit unter Wert zu verkaufen. Wenigstens ging im Fall von Hedwig Ullmann die Spekulation des nazi-affinen Konservators von Hessen-Nassau nicht auf, das nur in Kennerkreisen bekannte Werk Hans Thomas zur Nationalkunst zu erklären und dann »möglicherweise kostenlos« zu erhalten. Die sensationell aufwendig aus den Wänden gelösten zentnerschweren Bilder – das größte, eine Main-Landschaft mit einem pflügendem Bauer darstellende »Frühling« misst dreieinhalb auf zwei Meter und wiegt über 100 Kilo – hatte die nach Australien ziehende Witwe zu einem vergleichsweise respektablen Preis der Münchner Galerie Heinemann vermacht, der es gar gelang, diese über den Krieg hinweg zu verwahren. Als der Zyklus 1954 in Einzelteilen veräußert wurde, erlösten diese in summa nur noch die Hälfte. Das Historische Museum Frankfurt erwarb ein Sommerbild, die Deutsche Bank das lange Jahre in ihrer Zentrale in der Junghofstraße platzierte Großformat »Frühling«, ein anderes die Oetker-Gruppe.
Mit Ausnahme der nicht aufzufindenden Supraporte, dem nur noch als Fotografie erfahrbaren kleinsten Gemälde des Zyklus, zeigt das Historische Museum die im Zuge der Restitution den rechtmäßigen Eigentümern wieder überantworteten Bilder erstmals zusammen in einem Raum. Das Museum nutzt diese Schau auch dazu, das Procedere der Rückgabe positiv zu beleuchten. Noch immer sträubten sich viele Häuser, den Washingtoner Grundsätzen von 1998 bereitwillig und »proaktiv« nachzukommen. Dagegen plädiert HMF-Direktor Jan Gerchow mit seinem Haus und dieser Ausstellung dafür, »Restitution als Chance« zu begreifen. Mit dem im Jahr 2011 von Anwälten erhobenen Anspruch der Ullmann Erben – Hedwig Ullmann starb im Mai 1945 – habe das Museum den Kontakt nach Australien gesucht und nach der Einladung des sich der Bilder in Frankfurt erinnernden Erben die Basis für eine weitreichende Partnerschaft gelegt, die im Rückerwerb und in der Wiedervereinigung der Zyklusteile mündete. In der Info-Broschüre aus der Reihe »Kabinettstücke« lässt sich das alles nachlesen. Nicht zu vergessen: Wunderschön sind die Bilder auch.