Im Jahre 1991 hat das Theaterhaus Frankfurt mit dem Zweipersonen-Stück »Robinson & Crusoe« von Nino D’Indrona und Giacomo Ravicchio die Spielstätte eingeweiht. Das 1985 entstandene kleine Werk ist inzwischen ein Klassiker auf den Bühnen. Willy Combecher und Sigi Herold gaben damals zwei in Sprache und Herkunft einander fremde Soldaten, die sich völlig mittellos auf einer herrenlosen Insel begegnen. Was mit einem Kampf beginnt, der sich schnell als sinnlos erweis, geht allmählich in Versuche der Verständigung über: der mühsame Prozess der Akzeptanz des Anderen über Herkunft, Religion und Habitus hinweg.
38 Jahre nach der Premiere setzen Combecher und Herold diese Jugendtheater-Preziose als Regisseure mit den Freie-Szene-Schauspielern Benjamin Cromme (zuletzt in »Illegal« für die Theaterperipherie) und Ole Bechtold (aktuell vor Ort auch in »Frühlings Erwachen«) im Theaterhaus um. Mehr als an eine Insel lässt das rote rechtwinklige Konstrukt auf der Bühne an eine treibende und mutmaßlich rettende Plattform im offenen Meer denken. Man sieht zunächst nur ein paar weiße Hände, die sich wie bei einer Pantomime die Fläche ertasten, um schließlich den Körper ins Bild zu hieven. Die vorsichtige Erkundung des leicht abfallenden Terrains zeigt dem Ankömmling, dass er eigentlich keine Chance hat, das schwimmende kahle Ding wieder zu verlassen. Also richtet er sich ein, ruht aus und merkt gar nicht, wie er plötzlich Gesellschaft kriegt. Nach der Ankunft des zweiten Darstellers durchläuft auch das in judoweiße Leinenhemden und -hosen gekleidete Duo Bechtold und Cromme die oben bereits beschriebenen Prozesse der Anziehung und Abstoßung, inklusive des Kräftemessens und der kommunikativen Entdeckung des Spiels. Die Choreografin Katharina Wiedenhofer hat dazu mit den Darstellern eine sehr ästhetische körperbetonte Bewegungsfolge einstudiert, deren Nähe zu Kampfkünsten wie Capoeira noch den Jüngsten im Publikum alle Achtung abverlangt.
Dass Cromme Deutsch spricht, aber auch mit »Do You Speak English« nicht viel weiter kommt bei seinem radebrechenden Schicksalsgefährten, leitet die kommunikative Annäherung dieser Zwangsinsulaner ein, die sich zunächst auf Teilung und eine Grenze einigen, die sie mit einem ellenlangen Kaugummistreifen ziehen. Dass man Grenzen zwischen Menschen in verlockender Folgenlosigkeit einfach verputzen kann, ist eine der vielen möglichen Lehren einer fesselnden Dreiviertelstunde.