Zu den Dingen, die man aus diesem Stück von Nora Abdel-Maksoud mit nach Hause nimmt, dürfte auf jeden Fall der Begriff »Eierstocklotterie« gehören. Um den nämlich geht es in »Jeeps«, das eine fiktive Reform des Erbrechts zum Thema hat, die die jährliche Weitergabe von rund 400 Milliarden Euro in Deutschland neu regelt. Nicht mehr die Geburt, für die nun mal niemand etwas kann auf der Welt, entscheidet mehr, wer auf welcher Seite in unserer Gesellschaft lebt, sondern das Jobcenter macht das in einem Losverfahren, an dem alle teilhaben können. Auch die Enterbten.
Abdel-Maksouds Stück wurde im November 2021 in den Münchner Kammerspielen uraufgeführt und ist danach zu einem bundesweit nachgespielten Bühnenhit geworden, der auch schon in Darmstadt zu sehen war und unter anderem in Mannheim noch läuft. Dass sein Frankfurt-Debüt nun an die Off-Bühne der Theaterperipherie startet, kommt aber nicht von ungefähr. Schließlich ist auch die sich als postmigrantisch verstehende freie Bühne mit ihren Themen und der Einbeziehung von Laien weit über die Region hinaus bekannt.
Umgekehrt hat auch die Theaterperipherie Abdel-Maksouds oft Rassismus und Klassismus thematisierende Stücke längst auf dem Radar. Ute Bansemir, die die Regie für »Jeeps« übernommen hat, und ihre Dramaturgin Lisa Deniz Preugschat betreten mit dieser Inszenierung ein neues Feld für ihr Haus. Anders als in den sonst eher erzählerisch, auf Authentizität und politische Fronten angelegten Stücken der Bockenheimer Bühne, zeichnet sich die Autorin durch einen tragikomischen und experimentellen Zugriff auf ihre Stoffe aus. Ihr Setting von Figuren und Situationen zielt keine Lösungen an, sondern lässt die Charaktere mit offenem Ausgang aufeinanderprallen. »Man muss die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen bringe, indem man ihnen ihre eigene Melodie vorsingt«, fällt einem dazu ein. Die Schlüsse muss das Publikum selber ziehen.
So geraten in »Jeeps« eine Langzeitarbeitslose und eine Enterbte mit zwei unterschiedlich tickenden Mitarbeitern des Jobcenters in einen Konflikt, der über das Thema der Umverteilung auch den staatlichen Umgang mit Langzeitarbeitslosen verlinkt und von einer absurden Situation in die nächste in einer Art Systemclash taumelt. Dass das ganze Geschehen auf realen Fakten und Praktiken beruht, macht die Geschichten umso brisanter, als sämtliche Akteure immer wieder aus dem Spiel treten und ihr Verhalten dem Publikum erklären.
Diesen brecht’schen Bruch zwischen Spiel und Realität, will Ute Bansemir sogar noch früher ansetzen, indem der Spielort vor Augen des Publikums aufgebaut wird. Mit dabei sind vier Darsteller, die alle bei der Theaterperipherie anfingen und längst auch auf anderen Bühnen spielen: Marcel Andrée, Emrah Erdogru, Mirrianne Mahn und Silvana Morabito. Fünfte Figur an Bord ist der Schlagzeuger Tariq Ali Khan. Die Premiere finde noch im November nach Redaktionsschluss statt. Eine Besprechung gibt es im Januar-Heft.