Volksbühne zeigt Philipp Mosetters bitterböse Komödie »Der Fleck – Eine Aussprache unter Freunden«

Stück für Stück baut Michael Quasts Volksbühne im Hirschgraben ihr Bühnen-Repertoire aus. Neben den Text- und Liederausgrabungen des künstlerischen Leiters und den Komödien von Hausautor Rainer Dachselt, trägt nun auch Philipp Mosetter mit einem ersten Theaterstück dazu bei, das Angebot des Hauses zu bereichern. Das Urmitglied des legendären Karl Napp‘s Chaos Theaters ist bisher hauptsächlich als kabarettistischer Partner Quasts bei den populären Klassikerbearbeitungen der Volksbühne präsent, die von Faust, von Schiller oder den Grimms handeln. Mit der Uraufführung von »Der Fleck – Eine Aussprache unter Freunden« setzt Mosetter einen ersten theatralen Farbtupfer auch als Autor.
Literarisch lässt sich das von zwei merkwürdig besetzten Paaren handelnde Stück zwischen Yasmina Reza und Eugène Ionesco verorten, zwischen moderner Gesellschaftskomödie und klassischem Absurden Theater. Knapp anderthalb Stunden geht es um nichts als die jeweils eigenen nichtigen Belange im Bühnenquartett. Doch noch bevor es dazu kommt, erleben wir Mosetters ersten Streich. Sein Stück spielt exakt da, wo es auch aufgeführt wird, im Cantate-Saal, der zum Ort der im Titel avisierten Aussprache avanciert. Eingeladen hierher an einem angeblich spielfreien Abend hat dazu der reaktivierte Ex-Lehrer Bernd zum einen seine in der Schulverwaltung tätige Frau Ann und zum anderen den Künstler-Agenten Chris und dessen künstlerisch ambitionierte Beziehung Dolores. Nur ein Stuhl und einen silbernen Eimer weist die von einem wuchtigen dunklen faltenwerfenden Vorhang umrahmte kahle Bühne aus, für die im Programm auch niemand verantwortlich zeichnet. Von Publikum habe ihm niemand was gesagt, erklärt der überraschte Initiator in den ausverkauften Saal, bevor nach und nach die anderen kommen, nicht minder erstaunt von der Kulisse. Ein Missverständnis also, mit dem man sich schnell arrangiert, das aber symptomatisch für einen Abend ist, an dem keine der Figuren die andere zu verstehen versucht. Wahlverwandt sind diese Menschen mitnichten, auch wenn sie ausnahmslos rauchen und immer fragen, ob man das hier denn darf. Dieser Lacher sitzt denn auch sicher.
Worum es bei der Aussprache gehen könne, das fragen alle nicht nur den recht verknusten Lehrer Bernd, sondern immer auch ins Publikum hinein, das zwar lange ahnungslos bleibt, aber doch allmählich die seltsame Paargeschichte erfährt, die mit einer Frauenprügelei um einen mintgrünen Koffer an der Gepäckausgabe ihren Anfang nahm, um später vor aller Augen tragisch mit einem Toten zu enden. Wie es dazu kommt, entbehrt zwar jeder Logik, weiß aber durch Wortwitz und hübsche Dialogpointen gut zu unterhalten. Mal geht es um eine Zahnbürste im falschen Badezimmer, mal um die dringende Empfehlung von Chris an Dolores, sich für ein Konzert in Bietigheim-Bissingen operativ aufhübschen zu lassen, und mal – verhängnisvoll – um eine Pistole, die Bernd dem Problemschüler Omar-Kevin (!) abgekauft hat. Auf dem Holzweg ist, wer Bernds nicht überseh- und -hörbares
>> asthmatisches Leiden als möglichen Auslöser (Trigger!) sieht, auch die Vermutung, dass der seltsame Titel auf das Röntgenbild seiner Lunge verweist, schlägt fehl.
Auffällig jedenfalls, dass Regisseur Michael Quast in Andreas Wellano (Bernd), Randi Rettel (Dolores), Sam Michelson (Chris) und Susanne Schäfer (Ann) ein recht seltsames Quartett zusammengestellt hat, in dem aber auch keiner und keine zum anderen passt, auch wenn eine völlig unmotivierte, doch gelungene Tanzeinlage uns das Gegenteil beweisen will. Absurd, die Konstellation! Absurd, die Handlung(?). Aber ein veritabler Spaß, der auch den Theater-Aficionado bauchpinselt, weiß der doch die Einhaltung des tschechow‘schen Waffenverdikts und die von Beginn an fehlende vierte Wand zu goutieren. Dass das Ensemble am Ende denn auch noch über den Sprechtext lamentiert und es dem Schussopfer zu kalt wird, als Leiche auf dem Boden liegen zu müssen, lässt uns freilich schwanken, ob Mosetter hier der Brecht’schen Verfremdung huldigt oder Thorsten Morawietz von der Dramatischen Bühne Referenz erweist. »Comme-c‘est bizarre, comme-c‘est curieux«, heißt es in »Die kahle Sängerin«. Well done, gelungen.

Winnie Geipert / Foto: © Andreas Malkmus
Termine: 2., 8., 23. März, 19.30 Uhr
www.volksbuehne.net

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