»Von hier aus«. Eine Bestandsaufnahme zeitgenössischer Fotografie in der Kunststiftung DZ Bank

Als sich die DZ Bank im Jahr 1993 entschloss, fotografische Kunstwerke zu sammeln und die kreative Innovation zum Kompass zu nehmen, war Fotokunst bereits eine blendend etablierte, wenn auch nicht der Malerei und Bildhauerei als vollständig gleichberechtigt wahrgenommene künstlerische Gattung, auf alle Fälle war sie volatil. Und das setzt auch die heutige Debatte in Gang: Neben der alle Kunstsparten umtreibenden Frage, in welchem Maße sich die Identität von Künstler*innen nachvollziehen lässt angesichts der Präsenz von KI, greift die Diskussion bei der Fotografie noch tiefer. Aufgrund der Möglichkeiten des Digitalen, der Verfremdungen eines Inhalts und natürlich auch der Bilderflut im Netz, wird völlig zu Recht die Frage aufgeworfen, was ist hier Wirklichkeit, welche Zusammenhänge sind hier abgebildet, können wir unseren eigenen Augen buchstäblich noch trauen? Wie positioniert sich Foto-Kunst in diesem Zusammenhang?
Die slowakische Künstlerin Katarina Dubovská setzt dazu das deutlichste Statement. Fast schon am Ende des Ausstellungsrundgangs ist ihre Installation auf dem Boden platziert – mehrere Plastikkanister mit durchscheinender Farbe, drei ungefüge Pappmachee-Brocken mit metallischen Einsprengseln und ein Bildschirm, alles mit Kunststoffschläuchen verbunden, eine zwölfteilige Antwort. Kompliziert, aber sehr anschaulich. Das ist das, was vom Foto übrigbleibt! Falls man es seziert wie sie es tat und in eine neue Form überführt. Farbe raus, Papier verformt, fertig, könnte man sagen. »Intertwined Conditions« stammt aus den Jahren 2019–2020.
Doch zurück auf Anfang. Tatsächlich versetzen die Arbeiten von Isabelle Le Minh, welche die Ausstellung eröffnen, in eine vergangene Zeit. Tun sie das wirklich? Aus postkartengroßen Porträtfotografien aus dem Jahr 1868 hat sie ein Leporello gebaut, mit kleinen Spiegelpapieren dazwischen, und an der Wand hängen Bilder der Serie »Les Liseuses«, Leserinnen des vorvergangenen Jahrhunderts, aus der Frühzeit der analogen Fotografie. Sie alle beziehen sich auf Fototheorien von Susan Sontag und Roland Barthes.
Ähnliche Herausforderungen an das Auge und vor allem an Sinn und Verstand stellt auch der »Kronleuchter IV« von Peter Miller aus dem Jahr 2011, ein ganz wundersames, strahlend buntes Farbfotogramm, das als Direktbelichtung in der Dunkelkammer entstanden ist. Das Kunstwerk benutzt den Kronleuchter als Motiv und gleichzeitig als Lichtquelle. Das sieht so schön aus, dass es zum Postermotiv der Ausstellung gekürt wurde.
Was es mit den Suchalgorithmen im Internet so auf sich hat, probierte Viktoria Binschtok aus. »Tokyo Night Cluster« heißt ihre eigene Aufnahme, eine Aufsicht auf nächtliche Wolkenkratzer von Japans Metropole, und sie ließ sich dazu im Netz Bilder zuspielen, die der Algorithmus für sie als passend ausgesucht hatte. Drei dieser »Treffer« arrangiert sie mit ihrem eigenen Foto zu einer sprechenden Wandinstallation. Die Farbe, die sie spateldick dazu als außer Form geratenen Megarahmen auftragen hat, ist – schwarz.
Beate Gütschow verfolgte einen ganz anderen Pfad. In »HC Hortus conclusus – der geschlossene Garten« verzichtet sie darauf, eine Zentralperspektive einzunehmen. Was wir sehen, sind Parallelperspektiven. Wie verblüffend dies wirken kann, sieht man an diesen beiden Fotos aus einem Berliner Park – die Tiefe fehlt. Die Künstlerin bediente sich dabei einer im 19. Jahrhundert entwickelten und vielstufigen Vermessungstechnik via Fotoapparat. Dadurch erhalten die Bäume, die Mauern etwas Plastisches, gleichzeitig gibt es keine Schatten, das Abgebildete verwirrt immer mehr – je länger man davorsteht. Ein sehr spannender Effekt. In der Ausstellung wird den beiden Arbeiten von Gütschow das »Paradiesgärtlein« eines oberrheinischen Meisters um 1410/1420 aus dem Städel dazu gestellt.
»Von hier aus. Eine Bestandaufnahme« ist auch eine Frage an die Zukunft. Wie wird sich die Kunstfotografie weiter entwickeln, wird sie sich KI untertan machen, wird sie eine neue Freiheit entdecken? »Von hier aus« und seine 20 darin präsentierten Künstler*innen bewegen sich genau an dieser Schnittstelle.

Susanne Asal/ Foto: Sophie Thun, All Things in My Apartment Smaller Than 8 x 10, © Norbert Miguletz
Bis 15. Juni: Di.–Sa., 11–19 Uhr
www.kunststiftungdzbank.de

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