You gotta stay together: »They them Okocha« am Kammerspiel Frankfurt

Ein Rätsel, warum diese vier Figuren so berühren. Wie sie da herumstehen, ziemlich ratlos in ihren Kindershorts und Kinderhemden, die Arme mit strumpfdünnen Handschuhen bedeckt. Grade eben haben sie sich verkleidet, als Dinosaurier, als Prinzessin, als Hase und als Schmetterling, ein bisschen gaga sind sie schon. Sind sie jetzt groß, oder sind sie noch klein, oder groß auf der Suche nach dem Kind-Sein? Die Szene belässt es im Ungefähren. Lioba Kippe, André Meyer, Jannik Mühlenweg und Arash Nayebbandi stammeln sich was von Freundschaft zurecht, probieren kleine Rituale aus fürs Verstehen und Verzeihen, stehen viel zu groß in ihrem pastellfarben gestrichenen Kinderzimmer herum, in dem trotzdem alles viel zu groß ist. Wir sind hier eindeutig in einem surrealen Raum gelandet, mit einem übergroß gemalten Plakat von Jay-Jay Okocha als Wanddekoration, einem zart klavierspielenden Kuttenträger und einer unübersehbaren Sense an der Wand. Zuvor hat Jannik Mühlenweg eine Buntpapier-Laterne vor verhängter Bühne geschwungen. Also mal sehen, wohin diese reizende Reise führt.
Der junge und vielfach ausgezeichnete Autor und Regisseur Bonn Park ist derzeit auf vielen Bühnen zu Gast. »They them Okocha« ist ein als Stückentwicklung apostrophiertes Stationendrama. Halt macht es in der »Kindheit«, der »Pubertät« und in dem »Rest«. Der Rest scheint also ziemlich mistig zu sein, in etwa so wie zusammengekehrter Müll. Man befindet sich immer irgendwo: In der »Es-wird-alles-noch-schlimmer-Phase« oder in der »Es-kann-nur-besser-werden-Phase«. Wobei die schlimmste natürlich das Erwachsen-Sein ist, also der Rest.
Cem, Jürgen A., Jürgen D. und Noah-Wilhelm – stehen sie also ganz am Anfang in ihrem Leben oder schon ganz hinten? Retrospektiv, introspektiv? Zunächst einmal machen sie sich ans Aufgraben des Kinderzimmerbodens. Und da kommt ein wahres Kleinod zutage! Ein Fernseher! Mit der wunderbaren Übertragung eines wahnsinnigen Tores des titelgebenden Augustine Okocha, genannt Jay-Jay, einem mirakulös herausgetanzten Tor, das den Titanen Torwart Oliver Kahn mühelos überwindet. So ein Tor ist für die Ewigkeit, vermutlich das legendärste Tor der Eintracht ever. Gefallen am 31.8.1993.
Die Vier stellen Hierarchien her, verwerfen sie, vermissen sich, mögen sich nicht, wollen aber unbedingt eine Freundschaft teilen, gleichberechtigt sein, ihre Identitäten zusammenbauen, und so wird auch die Welt der Erwachsenen ertragen, die sich unter riesigem Getöse mit einem furchterregend großen Papp-Bein plötzlich in die Teletubbies-Idylle schiebt. Das Kapitel Pubertät wird auf dem Rummelplatz abgefeiert, aus Jürgen A. und Jürgen D. werden jetzt Jay und Jay, dem aufgesperrten Maul einer Geisterbahn entströmt pausenlos Trockeneis, bis man sich ja dann doch dem Unvermeidlichen stellen muss, weil man nämlich keine Angst davor hat: dem Erwachsen-Werden. Und ab geht es in die kreischende Geisterbahn.
Erwachsen Sein ist wirklich schrecklich! Das Grauen des Daseins steckt in schrecklichen Aktentaschen, die man jetzt mit sich herumschleppen muss, und noch viel schrecklicheren Kostümen (Leonie Falke), viel zu groß, viel zu klein, völlig falsch dimensioniert. Darin stecken jetzt Cem, Jürgen A. und Jürgen D. wie in Zwangsjacken und versichern sich gegenseitig ihrer Unsympathie – wo ist bloß die Freundschaft geblieben? Nicht einmal die Abwesenheit von Noah Wilhelm fällt zunächst auf, bis der dann in dem unbequemsten Outfit von allen einen absurd hohen Bürostuhl erklimmt – Kanzler ist er jetzt geworden. Das ist ja wohl das größte Unding von allen, der Rest eben. Surreal und kafkaesk.
Was davon bleibt? Des’rees wunderbarer Song »You gotta be«. Das nehmen wir jetzt mit. Das wars wohl – und nicht mehr. Ein verspielter, ein zarter, ein flüchtiger Abend, und eine Sprungschanze für die eigene Phantasie.

Susanne Asal / Fotos: © Robert Schittko
Termine: 2., 17., 18. Mai, 20 Uhr
www.schauspielfrankfurt.de

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