Museum Sinclair-Haus mit flüchtigen Ansichten

Faszination Natur ist seit einigen Jahren das dominierende Thema der Ausstellungen in Bad Homburgs Sinclair-Haus. Nach tiefen Einblicken in das Naturphänomen »Eis« in allen seinen Formen sind nun bis 13. August 23 »Wolken« zu bewundern. Unterschiedlichste Sichtweisen, Interpretationen, Darstellungen der Künstler, die uns Besucher*ìnnen viel Freiheit lassen, den flüchtigen Himmelserscheinungen für ein paar Augenblicke nachzuträumen. Da fallen insbesondere Cumulus-Wolkenbildungen ins Auge, die der Kanadier Ian Fisher mit Öl auf Leinwand bringt und so beschreibt: »Ist es friedliche Stille? Das Nichts? Destruktion?« Beim Betrachten der eruptiven Wolkenformationen gerät er in einen »schwebenden Zustand«, dem wir als Betrachter gern folgen. Eine geradezu zauberhafte Sichtweise auf das Phänomen hat Gerhard Lang: auf dem Dach des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach blickt er auf Wolken, zeichnet freihändig deren Bewegungen dabei mit Graphit (Bleistift) auf Papier, ohne dabei auf die Skizzen zu schauen. Dabei entstehen filigrane, winzig schwebende Bewegungen, die »eine innere Dynamik der vorüberziehenden Wolken« sichtbar machen (Zitat: Lang). Mag sich dem Betrachter assoziativ Jackson Pollock einstellen? Gegenübergestellt sind zeitgleich vom Wetterdienst erstellte, ausgedruckte Rohdaten über den Verlauf der Wolkenbewegung – die in ihrer Nüchternheit sogleich in die Gegenwart zurückholen. So etwa auch der »Cloud Index« des jungen Jonas Fischer, dessen flüchtige Wolkenbilder an Orten entstehen, wo fossile Brennstoffe für kurze Zeit Umweltschäden bewusst machen. Dazu ergänzend fällt auch eine »Cirren-Installation« von Angela Schwank auf: »fotografische Negativbilder«, die »die ausgeprägten Feinstrukturen dieser Wolken verdeutlichen« – »von Kratzern durchzogene Flecken zeigen Regionen hohen Flugverkehrsaufkommens« (Schwank). Neben digitalen Video-Installationen von Berndnaut Smilde, Heliogravuren von Arnulf Rainer oder der Illusion von computergenerierten Wolkenkörpern auf und in transparenten Acrylplatten von Lyoudmila Milanova faszinieren u.a. Arbeiten von Marie-Jo Lafontaine, Barbara Klemm (Wolken auf den Spuren Goethes in Italien), eine zeitgemäße KI-Installation von Noa Jansma, Tusche-Zeichnungen von Julius Bockelt – und natürlich Gerhard Richter, der als einer der ersten in den 60er- und 70er Jahren Wolkenbilder nach fotografischen Vorlagen gestaltet und neu interpretiert hat. Großformatige Stimmungsbilder laden zum Verweilen und Träumen ein.
Die von Dr. Christina Anna Lanzl und Moritz Ohlig kuratierte Ausstellung wird begleitet von einem vielfältigen Kulturprogramm, das vertiefende Gespräche, Lesung, Konzerte und einen Workshop mit einschließt.

Bernd Havenstein
Bild: Ian Fisher, Atmosphere No. 148 (Waterfall), 2022, Öl auf Leinwand
© Ian Fisher, courtesy Gallery Elle
Bis 13. August: Di.–Fr., 14–19 Uhr; Sa., So., Feiertage, 10–18 Uhr
www.museum-sinclair-haus.de

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