»And This is Us« – 12 junge Künstler*innen zeigen ihre Arbeiten im Kunstverein

Vielfalt ist mittlerweile ein so abgedroschener Begriff, sagen wir besser: Reichtum. Was im Frankfurter Kunstverein jetzt bis zum 31.8. zu sehen ist, ist reich. Und das in zweierlei Hinsicht. Es sind aus zunächst insgesamt 110 Portfolios zusammengestellte künstlerische Positionen von zwölf Absolvent*innen der Städelschule, der Hochschule für Gestaltung in Offenbach und von der Kunsthochschule Mainz, die eigens für diese Ausstellung einen Kunstraum geschaffen haben. Und jede Position verkörpert ganz explizit eine ganz eigene Welt für sich.
Das ist mitunter sogar wörtlich zu nehmen, und manchmal schmerzt die Abwesenheit des Offensichtlichen noch viel mehr. Wie zum Beispiel bei Nazanin Hafez aus Shiraz. Im vergangenen Winter hatte sie erneut den Iran besucht. Von ihr sind Fotos zu sehen, die an Orten aufgenommen wurden, an denen öffentliche Hinrichtungen stattgefunden haben. Die Tötungen sieht man nicht, nur die Umgebung, die sie künstlerisch verfremdet hat, collagierte Zeitungsfotos, Architektur, den Stadtraum, die Häuserwand, bloß, still, stumm, unbewegt. Und jeweils ein Detail, das die Hinrichtung verrät, ein Seil, eine rote Linie, ein Fuß unter einer Decke. Angrenzend ein besonderer kleiner Raum, den man durch eine Öffnung betritt, die dem Umriss iranischer Stromkästen nachempfunden ist. Protestarchitektur: Diese haben Frauen nach der Ermordung von Jina Mahsa Amini im September 2022 als Tribünen benutzt, um sich den Schleier herunterzureißen. Im Innern des Raumes warten wie ein geheimnisvoller Schatz großformatige Fotografien von jungen Frauen ohne Schleier, umgeben von der Einsamkeit der Berge. Dorthin flüchten sie sich, und sich zu treffen, die Haare gelöst und flatternd. Frauen, geht mir durch den Kopf, riskieren dort mit ihren unbedeckten Haaren Folter und Tod, andere, die hierzulande den Schal freiwillig tragen, was bedeutet er für sie?
In der Hälfte des zweiten Obergeschosses hat sich das Künstlerkollektiv La Caoba farbensprühend eingerichtet und illustriert ganz wunderbar das grenzensprengende Thema: gemeinsam essen. Sopo Kashakashvili aus Georgien und Larry Bonćhaka aus Ghana betonen das Verbindende dabei, reflektieren den Kreislauf von Mensch und Natur, die Werthaltigkeit nachhaltig produzierter Lebensmittel, verweisen auf Wiederaufforstung und sich selbst erhaltende Ökosysteme. Hier haben sie eine Art Kramladen mit Bücherregalen aufgebaut, der Boden ist mit buntbedruckten Kaffeesäcken aus Jute bedeckt, an die Wand sind Palmen und ein Wasserfall gemalt. Ein aus Schnüren gefertigter, man möchte fast sagen, gebastelter Vorgang mit eingeflochtenen Fruchthülsen und Holzstückchen trennt das Ensemble, das auch aus einem gedeckten Esstisch besteht, vom Rest des Raumes. Ein lebenssprühender und wie improvisiert wirkender Gegenpol, und sehr erfrischend, zu den White Cube Spaces, in denen alles weiß gehalten ist.
Dagegen zeigt Elisa Deutloff eine nach innen gewandte Arbeit, die sie mithilfe von KI produziert hat. Das Licht in dem abgedunkelten Raum konzentriert sich auf ein Buch mit aufgeschlagenen Seiten, davor eine kleine Sitzbank, ein Mikrophon und ein Computerpult. Man kann aus diesem Buch, das aus Latexseiten mit eintätowierten Gedichten besteht, etwas vorlesen, eine KI nimmt dies auf und erzeugt damit die eigene Stimme, mit der man nun in Dialog treten kann. Vor diesem kleinen Ensemble entrollt sich eine Latexmatte, zart eingefärbt vom Puder und Lidschatten der Künstlerin. Diese Verbindung von großer Intimität und noch größerer Öffentlichkeit, von Latex, das etwas Haut-Ähnliches hat, und dem völlig Entpersönlichtem von vier KIs, die zur Produktion benutzt werden, hallt nach.
Die perfekte und optimierte Präsentation des eigenen Körpers in der Öffentlichkeit beschäftigt Sargon Khnu. Den gesamten Vorplatz im ersten Stock nimmt eine kniende schneeweiße Skulptur eines nackten muskulösen Mannes mit Absatzschuhen ein, das Gesicht wird von einer schwarzseidigen Perücke komplett verdeckt. Dazu fünf aus Lindenholz gearbeitete Flachreliefs, die, genau wie die Skulptur, den männlichen Körper bei der Vorbereitung des Geschlechtsakts zeigen. Rollen, Klischees, Gender, das Verhalten, das man auf dem Dating-Markt von sich zur Verfügung stellt.
Und wieder geht es zurück von der Außen- in die Innenwelt bei Franziska Krumbachner, deren Bilder die Wände eines eigenen Kabinetts bedecken. Sie malt in Öl, und sie malt Traumgesichter, leere Flure mit geschlossenen Türen, surreale Verfremdungen, man taucht ab in eine bildlich veräußerte, jedoch zutiefst intime Welt, die sich von Erinnerungen und Träumen nährt. Kühl und etwas düster ist es dort, grau, weiß, Fetzen von unklarem Rot.
Nein, man kann keine Linie ziehen von einem Projekt zu anderen, jede/r formuliert eine ganz persönliche unverstellte Sicht auf die aktuelle Welt und deren Themen mit einer bestechend großen Vielfalt an Materialien und Techniken, und das ist: reich.

Susanne Asal
Foto: Sargon Khnu: »Offering« und »Scene I-V«, 2025
Ausstellungsansicht Frankfurter Kunstverein 2025
Photographer: Norbert Miguletz
© Frankfurter Kunstverein / Courtesy: the artist
Bis 31. August: Di.–So., 11–19 Uhr, Do., 11–21 Uhr
www.fkv.de

 

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