Romantik-Museum, Senckenberg und Sinclair-Haus zeigen gemeinsam »Wälder. Von der Romantik in die Zukunft«
Dass Frankfurt als einzige deutsche Stadt seinen Wald mit einem Feiertag würdigt, war Anne Bohnenkamp-Renken, der Direktorin des Deutschen Hochstifts, in ihrer Ansprache zur Eröffnung der oben genannten Ausstellung schon einen Hinweis wert. Und dass Frankfurt über den wahrscheinlich größten eigenen Stadtwald im Land verfügt, einen zweiten. Vom Zustand und damit der Dringlichkeit des Themas, mit dem gleich drei Museen der Region in den nächsten vier Monaten aufwarten, zeugt nicht nur der hohe Krankenstand der städtischen Bäume. Auch der jeden Pfingstdienstag anstehende »Wäldchestag« ist längst kein echter Feiertag mehr, an den sich Firmen und Ämter halten, und in der Stadt ganz und gar nicht zu spüren.
Ob man nun glaubt, im Wald zu stehen, oder vor Exponaten die Ausstellung nicht sieht. Die Besucher der im Deutschen Romantik-Museum, dem Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt und dem Bad Homburger Museum Sinclair-Haus veranstalteten Schauen werden mit einer überwältigenden Fülle an akribisch erstelltem Material bedient. Über seine spezifischen Schwerpunkte hinaus wartet jedes der Häuser interdisziplinär mit literarischen, künstlerischen und naturwissenschaftlichen Beiträgen auf. Dabei kommt überall auch das weltweite Engagement um die Rettung der Wälder nicht zu kurz – von Fechenheim bis nach Borneo und Südamerika.
Präsentiert wird »Wälder« in insgesamt 13 Abteilungen, sogenannten Themeninseln. Drei davon finden sich im Bad Homburger Sinclair-Haus, mit dem wir unsere Besprechung in diesem Monat eröffnen. Jeweils fünf Stationen umfasst das Inselspringen im Romantik-Museum und im Senckenberg, auf die wir im Mai- und im Juni-Heft eingehen.
Im Sinclair-Haus werden Gespräche der Bäume belauscht
Das Museum Sinclair-Haus in Bad Homburg knüpft im Rahmen eines Gesamtkonzepts der neuen Ausstellung an die vergangenen Projekte an, die sich Eis, Wolken und Sand als fragilen Ressourcen widmeten. Drei »Themeninseln« bestimmen die Auswahl der Kunstwerke und Objekte des neuen Projekts.
Da geht es zunächst «In die Wälder!«. Begleitet von Texten der Romantikerin Bettina von Arnim (sie sind an den Wänden nachzulesen) gilt es hier, Berührungen mit der Natur, das Leben der Wälder in seiner ursprünglichen Form zu erleben. Dass Bäume miteinander kommunizieren, ist nicht erst durch den allgegenwärtigen Baumforscher Peter Wohlleben erkannt. Diese Erkenntnis ist, wie im Sinclair-Haus zu bestaunen, wesentlich älter. So lassen zwei biochemische, in besonderen Flacons abgefüllte »Parfums«, die die Künstlerin Agnes Meyer-Brandis aus den Duftstoffen des Persischen Eisenholzbaums und einer Himalaya-Zeder wissenschaftlich entwickelte, jeweilige »One Tree ID« erschnuppern: gewissermaßen dem Körpergeruch der Bäume nachspüren. »Die Arbeit ermöglicht, sich spekulativ in die Gespräche der Bäume einzumischen«. Eine ganz andere Einmischung von uns Menschen allerdings, die das Ökosystem beeinflussen bzw. durchaus verändern, ist eines der Grundthemen dieser Präsentationen.
Die zweite Themeninsel beschreibt »Erdlebenbilder«: Malereien, Zeichnungen und Fotografien von der Romantik bis heute. Landschaften romantischer Künstler erinnern an den Wald als geheimnisvolle Düsternis, wilde Natur, Ursprung von Märchen. Und da sind teils großformatige Bilder und faszinierende Fotografien, die zwei langzeitbelichtete Aufnahmen von Wäldern und nächtlichen Himmel überlagern (Atmospheric Forest). Die Schönheit des Waldes wie überhöht. Auch durch Brände ausgedünnte Wälder sind zu sehen, der verlassene Hambacher Forst, ein »sterbender Wald nach dem Sturm« – die alle im Lauf der Zeit wiederum ihr eigenes »Erdleben« beginnen – auch ohne uns Menschen. Dazwischen gibt es waldbodenfarbige Sitzflächen, um sich, romantisch entführt, der faszinierenden Szenerie zu überlassen (dazu passend über Kopfhörer Robert Schumanns »Waldszenen«).
»Waldangst und Waldlust« sind übergreifende Themen der dritten Abteilung und beziehen sich eher wieder auf die romantischen Deutungen (Gemälde) und »die Sorge um das Fortbestehen der Wälder vor dem Hintergrund ökologischer Krisen.« (Stiftung Kunst und Natur).
Etwas verblüffend (und eher befremdlich) ist eine fotografische Installation am Schluss der Ausstellung: der Waldboden ist zunächst perspektivisch auf der oberen Bildfläche wahrzunehmen, Baumwurzeln und Bäume hängen quasi in den unteren Teil des Bildes hinein. An ihnen schlängeln sich Körper, die sich beim späteren Wenden der Fotografie um 90° am wirklichen Boden als nackte Männer zeigen, sich – wie‘s heißt – der Natur nackt aussetzen – sie umarmen die Bäume (körperliche Sichtweise?) wie in Trance. Oder, wenn man so will, in sexueller Lust. Waldlust?
Kunst, Literatur und Naturwissenschaften zum Mitmachen sind spannende Begleitprogramme. Eine eindrucksvolle Ausstellung im Kontext mit dem Romantik-Museum und Senckenberg in Frankfurt, die sich ergänzend mit einem Spaziergang durch die herrlichen Parkanlagen und umgebenden Wälder der Taunus-Kurstadt verbinden lässt. Ein Drei-Wälder-Ticket für alle drei Häuser kostet 18 Euro.