»Ausgeschlossen. Archäologie der NS-Zwangslager« im Archäologischen Museum

Es ist ein großes Verdienst, dass das Archäologische Museum in Frankfurt nun Exponate präsentiert, die man an diesem Ort vielleicht nicht erwartet hätte. Dabei handelt es sich um die aus Brandenburg übernommene Ausstellung »Ausgeschlossen. Archäologie der NS-Zwangslager«, die unter anderen gemeinsam vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und dem Archäologischen Landesmuseum entwickelt wurde. An ihr lässt sich so schlüssig nachvollziehen, wie das Räderwerk des NS-Regimes und große Firmen wie Siemens ineinandergriffen, um Menschen in Kz’s, Arbeits- und Kriegsgefangenenlagern zusammenzusperren und bis auf das Äußerste auszubeuten, dass einem die Ausrede vom Nicht-Gewussten wie bitterster Hohn vorkommen muss. Archäologie gräbt nun mal aus, das Ergebnis pflegt unbestechlich zu sein – und das United States Holocaust Memorial Museum geht von 45.000 solcher Lager in Deutschland aus. Die meisten konzentrierten sich in Brandenburg und Berlin, dem Machtzentrum und der Rüstungshauptstadt. Über zwölf Millionen Zwangsarbeiter*innen hatte die Nazi- Diktatur in Lager gesperrt.
Archäologie und Bauforschung gehen bei der Aufarbeitung Hand in Hand. Gerade in Berlin sind durch die zahlreichen Bauvorhaben in jüngerer Zeit Überreste der Zwangsarbeiterlager aufgetaucht. Insofern verwundert es nicht, dass Land und Hauptstadt eine Vorreiterrolle bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung spielen. Aber auch in anderen Gegenden haben Bauvorhaben dazu geführt, die Lagerstätten überhaupt erst zu entdecken. Archäologie und NS-Zeit ist zudem ein sehr junges Forschungsgebiet, wie die Kuratoren betonen. Mit dieser Ausstellung soll zu weiteren wissenschaftlichen Projekten angeregt werden.
In sieben Themenblöcken zusammengefasst und so nüchtern wie möglich präsentiert die Ausstellung rund 300 Fundstücke aus den Lagern. Dabei spielt die Untergliederung in einzelne Lager eine unbedeutende Rolle, da die Mechanismen überall die gleichen waren. »Der Nationalsozialismus bedeutete den radikalen Abbruch der Kommunikation von Mensch zu Mensch und damit zugleich das Aufhören des Selbstseins« schrieb Karl Jaspers 1960. Und damit ist der erste Schwerpunkt der Ausstellung bereits umrissen: Zerstörung der Identität durch Namenlosigkeit und vollständige Absonderung von der übrigen Welt. Ein weiterer Fokus liegt auf der Selbstbehauptung und den Strategien des Überlebens. So war es den Insassen untersagt – und es war aufgrund der hygienischen Verhältnisse auch kaum möglich – sich zu waschen und zu pflegen. Doch sie stellten Kämme – auch gegen den üblichen Lausbefall – selbst her, markierten ihnen zugeteilte Tassen, fabrizierten Reibeisen und trugen Ketten aus bunten Steinen. Sie versuchten mit diesen Mitteln, ihre Würde zu bewahren – und bei der geschichtlichen Rekonstruktion hilft eben auch die Archäologie: schriftliche Zeugnisse sind kaum gefunden worden, diese Alltagsgegenstände aber schon. Man hat eine Baumrinde mit Schabespuren entdeckt, die von den Todesmärschen der Inhaftierten stammt: abgeschabte Rinde diente ihnen als Nahrung. Holzpantinen und -schuhe sind zu sehen, die einzigen, die sie tragen durften und welche die Füße oft blutig scheuerten, aber auch Reste einer Mundharmonika.
Anhand zahlreicher Fundstücke lässt sich die Verzahnung deutscher Wirtschaft mit der Politik des NS-Regimes nachvollziehen; die Firma Siemens, die gleich neben dem KZ Ravensbrück eine Fabrik bauen ließ, dient dabei als ein Beispiel. In den Zwangsarbeiterlagern wurde auch das Fachwissen der Inhaftierten benutzt: so sind die Überreste eines Flugzeugmotors Bestand der Ausstellung.
An Stacheldrahtfragmenten, Blechtassen, Essnäpfen, sogar einem Saugaufsatz für ein Babyfläschchen vorbeizulaufen, zu wissen, was mit den eingesperrten Menschen passiert ist, ihren Überlebenskampf nachzuvollziehen, mit den Bildern des Schreckens im Kopf (die hier ausgespart bleiben), bewegt bis ins Innerste. Die Ausstellung ist bei aller Stille der Fundobjekte eine sprechende Botschaft gegen Diktatur und Terror in Nazi-Deutschland. Die Führungen richten sich explizit auch an Schulklassen.

Susanne Asal / Foto: Holzpantinen, Frauen-KZ Ravensbrück. Foto: F. Hoffmann.
Bis 26. Mai: Mi., 10–20 Uhr; Do.–So., 10–18 Uhr
www.archaeologisches-museum-frankfurt.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert