Zeichnerische Finesse hin, meisterliche Gestaltung her: Wo steckt denn da bitteschön der Witz? Diese Frage kommt ersten Betrachtern bei vielen der Arbeiten des Cartoonisten Bernd Pfarr zwangsläufig in den Sinn. Er, der Witz, findet sich einfach nicht auf den ersten Blick, und auch nicht auf den zweiten und dritten. Zum Beispiel das Acryl mit dem geflügelten stachelnasigen Insekt, das vor der im Lichtkegel einer Küchenlampe aufgetischten Suppe sitzend die oberen Vorderbeinchen hinter dem Kopf verschränkt und mit großen Augen entgeistert auf den Teller mit seinen Ingredienzien starrt. Das in eine helle Farblandschaft komponierte Werk ginge gewiss als allegorische Wanddekoration in jeder modernen Küche durch. Seine volle Bedeutung erschließt sich freilich erst mit Pfarrs begleitendem Text »Der fade Geschmack von Weißkohl und Tofu ließ Stechmücke Erika stark an ihrer Entscheidung zweifeln, aus ethischen Gründen auf das Blutsaugen zu verzichten«.
Keineswegs selbsterklärend ist auch Pfarrs platzgreifendes Diptychon eines sich übergebenden Krokodils, so dilemmatisch sich die Situation des an einen Baum gestützten Reptils sich auch gleich ausnehmen wird. »Ein Gnu hatte Hektors Autoschlüssel gestohlen. Wutentbrannt fraß Hektor das Gnu mit Haut und Haaren. Erst zu spät bemerkte Hektor, dass es wohl nur eine Möglichkeit gab, wieder an seine Autoschlüssel zu kommen.«
Das Caricatura Museum stellt noch bis zum 19. Januar mehr als 300 Arbeiten des in Frankfurt geborenen Künstlers vor, der sich mit seiner exquisiten Kombination aus Wort und Bild quasi ein eigenes Genre entwickelte und von Beginn an zum Kernteam des Magazins »Titanic« gehörte. Pfarr hat die satirische Kultfigur des Buchhalters Sondermann kreiert und trotzdem blieb ihm versagt, als neuntes Mitglied in den erlauchten Kreis der Neuen Frankfurter Schule aufgenommen zu werden, was die Großmeister der Komischen Kunst wohl einfach nur verdaddelt haben. Pfarr starb 2004 im Alter von nur 45 Jahren. Als einziges Fremdexponat zeigt die Schau das 1997 entstandene Porträt »Bernd Pfarr. Cult of Ray« von Helen Schiffer den von der Krankheit gezeichneten Künstler.
Im Zentrum der Schau stehen 64 großformatige Gemälde, die im Erdgeschoss des Hauses unter dem Titelmotto »Knochenzart« eine Auswahl von Motiven mit Tieren und Engeln aus Pfarrs umfangreichen Werk zeigen. Zu ersteren gehört auch das Handtaschenhundeformat Fido, der mit dem Riesenknochen im Maul und dem Riesenschatten von Brutus vor Augen »plötzlich verstand, was sein Herrchen meinte, wenn dieser ihm versuchte zu erklären, was ›Ambivalenz‹ bedeutet.« Zu Letzteren zählt der sich ängstlich an den Rucksack des Bergsteigers Ignaz Mauser klammernde Schutzengel: seine Anwesenheit habe Ignaz Mauser die Aufgabe »nicht wirklich« leichter gemachte, konstatiert der Maler.
In dieser ersten vom neuen Leiter Martin Sonntag verantworteten und vom Kurator Tom Kronenberg gestalteten Schau gibt es überdies zwei Skulpturen, einen Film und in den Vitrinen des ersten Obergeschosses rund 260 Zeichnungen des vielseitigen Künstlers zu sehen, dem der 2008 im historischen Leinwandhaus am Weckmarkt 17 eröffnete deutsche Tempel der Komischen Kunst schon seine allererste Ausstellung gewidmet hatte. Eines sei auch von uns für Pfarrs Absurdistan verbürgt: Wer sich hineinbegibt, kommt aus dem Lachen nicht mehr heraus.