Der aus Wiesbaden stammende Filmbuchautor Thilo Wydra hat die Doppel-Biographie »Eine Liebe fürs Leben – Alma & Alfred Hitchcock« über das symbiotisch verbundene Ehepaar vorgelegt.
Es klingt wie eine ironische Pointe der Filmgeschichte: Im Jahre 1938 drehte Hitchcock in England »Eine Dame verschwindet«. Da war er schon 12 Jahre mit Alma Reville verheiratet, die seitdem an allen seinen Filmen maßgeblich beteiligt war. Aber wie Alfred 1899 geboren, war und blieb Alma für die Außenwelt immer im übermächtigen Schatten ihres Mannes, der unter Filmliebhabern mittlerweile Kultstatus genießt.
Fünf Jahre hatte sich der Autor, der mit einer Hitchcock-Kurzbiographie (2010) und »Hitchcock´s Blondes« (2018)) dem Master of Suspence schon zweimal seine Referenz erwiesen hatte, mit dem Gedanken zu diesem Thema beschäftigt. Vor zwei Jahren brach er zu einer aufwendigen Recherche-Reise nach Hollywood auf.
Dort durchforstete er das Archiv der »Oscar-Akademy«, wo man bass erstaunt schien, dass bisher noch keiner auf die Idee gekommen war, sich auch dieser verkannten Filmemacherin zu widmen. Später saß Wydra in Los Angeles und San Francisco auf den heimischen Sofas der Hitchcock Enkelinnen Mary Stone und Tere Carrubba, die ihn die wertschätzende Briefe seiner weiblichen Lieblingsstars Grace Kelly und Ingrid Bergmann lesen ließen und so manche Anekdote aus der gemeinsamen Zeit in den Studios in Hollywood und dem privaten Leben erzählten.
Wydra lockert mit ihnen immer wieder seine informative und unterhaltsame Biographie auf, die sich nicht nur an eingefleischte Cineasten wendet, sondern an alle, die immer schon mal wissen wollten, was sich so alles hinter den Kulissen des Hitchcock-Universums abgespielt hat. Und auch mit der 2021im Alter von 93 Jahren verstorbenen Patricia, der einzigen Tochter von Alma und Alfred, konnte er noch ein persönliches Gespräch führen. Sie erinnert sich an jenen Sommertag des Jahres 1960, als in einem Vorführraum auf dem Universal-Gelände den Studio-Bossen die gerade fertiggestellte »Psycho«-Kopie gezeigt wurde. Als das Licht wieder angeht, meldet sich Alma gleich zu Wort: »Du kannst den Film nicht rausgeben, Hitch!« – »Warum nicht?« – „Na, weil (die unter der Dusche erstochene, d. Red.) Janet Leigh noch atmet, obwohl sie bereits tot ist.« Keiner hatte es trotz mehrfachen Ansehens der Szene bemerkt.
Wydra beleuchtet zuerst einmal kurz Almas und Alfreds Familiengeschichten und ihr Aufwachsen im England es angehenden 20. Jahrhunderts. Dann widmet er sich ihrer gemeinsamen Zeit in London zwischen 1924 und 1938, ehe sie 1939 in Hollywood ein neues Kapitel ihres Lebens aufschlagen. Es sollte genauso wie der englische Teil 40 Jahre dauern. Und In 53 Ehe-Jahren erschaffen Alfred und Alma ein unvergleichliches Werk: 53 Filme, darunter zeitlose Klassiker wie u.a. »Der Fremde im Zug« (1951), »Das Fenster zum Hof« (1954), »Vertigo« (1958), »Der unsichtbare Dritte«(1959), »Psycho« (1960) und »Die Vögel« (1963). Am 29.4.1980 stirbt Alfred an Nierenversagen, Alma überlebt ihn zwei Jahre und stirbt am 6. Juli 1982 – wie er in ihrem Haus in Bel Air.
Als Hitchcock am 7. März 1979 in Hollywood vom »American Filminstitut« für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird, ist dies eine späte Ehrung für ihn, der wie auch Charlie Chaplin zu Lebzeiten nie einen »Oscar« gewann. Seine weiblichen und männlichen Stars sind gekommen, sogar einer seiner größten Verehrer, der Meisterregisseur der Nouvelle Vague Francois Truffaut. In seiner Dankesrede (auf You-Tube abrufbar) spart sich Hitch die üblichen Aufzählung von Weggefährten und wendet sich nur an vier besonders geschätzte Personen: eine Cutterin, eine Drehbuchautorin, die Mutter seiner Tochter Patricia und die beste Köchin, die er je kennengelernt hat: »Und sie alle heißen Alma Reville!«