Frida Kahlo. Ihre Fotografien – eine Ausstellung in den Opelvillen

In letzter Zeit musste die arme Frida Kahlo viel aushalten. Cafés und Restaurants wurden nach ihr benannt, auf Tragetaschen, Teetassen, Geldbörsen wurde millionenfach ihr stark stilisiertes Konterfei appliziert, auf dem sie so aussieht, wie sie niemals aussah. Hochgesteckte Zöpfe, Blumen im Haar, irgendetwas Buntbesticktes als Kleid – ja, aber das ist NICHT Frida. Frida vielleicht, aber nicht Frida Kahlo, sondern eine Inszenierung der schillernden Oberfläche.
Wer sich wirklich ein Bild von ihr machen möchte, der pilgert jetzt in die Opelvillen. Dort ist es der Leiterin und Kuratorin Beate Kemfert gelungen, eine Schau ins Museum zu holen, die die Casa Azul in Mexiko konzipiert hat. Das Blaue Haus im Stadtteil Coyoacán ist das Geburts- und Wohnhaus der Malerin, und es ist noch viel mehr als das: Ihr mythisches Refugium, ihr Hort für Exponate aus der präkolumbischen Zeit und ihrer bunten Sammlung von Alltagskunst, ihren mexikanischen Rezepten und volkstümlichen Trachten. Es gibt in ganz Mexiko nichts Authentischeres als diesen einen Ort, der zum Museum umgewandelt wurde.
Genau 50 Jahre nach ihrem Tod im Jahr 1954 wurde ihr fotografischer Nachlass freigegeben, und 241 Fotos hat der Fotohistoriker Pablo Ortíz Monasterio jetzt zusammengestellt, um ihre persönliche und künstlerische Biografie zu rekonstruieren. Ausgestellt werden die Originale. Das bedeutet, die Fotoaufnahmen sind teilweise klein, man muss ganz genau hinschauen, um sie richtig zu erkennen. Das ist ein umwerfendes Konzept.
Der fotografische Schatz ist üppig. Der Vater der Künstlerin, Guillermo (Wilhelm) Kahlo, war in Mexiko ein bekannter und begehrter Fotograf. Der 1871 in Pforzheim geborene Wilhelm hat die Appetit auf dieses Medium nicht nur seinem Enkel Antonio, dem Neffen Fridas, vererbt, sondern auch in Frida (1907–1954) selbst die Lust daran geweckt. Und so zeigt die Schau nicht nur Fotografien von ihr selbst und ihrem gesellschaftlichen und privaten Umfeld, sondern beispielsweise auch ein Foto von Diego Riveras Arbeitsplatz in Bellas Artes in Mexiko, das ihr Vater aufgenommen hat. Vielleicht nicht das verblüffendste Foto der Ausstellung, doch das biografisch vielleicht bedeutsamste, bildet es doch genau den Moment ab, in dem die junge Kunststudentin Frida den bereits berühmten Maler und ihren späteren Ehemann Diego sah und ihn zu beeindrucken versuchte, ein Studentinnenscherz. Diego, immer wieder Diego: »Nichts ist vergleichbar mit deinen Händen, nichts mit dem Goldgrün deiner Augen … du bist der Spiegel der Nacht, das gewaltige Licht des Blitzes, der Feuchtigkeit der Erde« schreibt sie mit unverhüllter Leidenschaft über diese Liebe, den »Unfall« in ihrem Leben, dem zweiten, wie sie sagt. Der erste war ein furchtbares Busunglück, das ihren Leib zerschmetterte und in ein Korsett zwang. Da war sie 18 Jahre alt.
Die nun folgende Geschichte ist bekannt: Als Bettlägerige begann sie zu malen, sich selbst, hauptsächlich sich selbst. Die wundersamsten Fantasien entstanden da, traumbehaftete Selbstbildnisse, die sie später zum Star der internationalen Surrealistenszene werden ließen. Doch im sozialistischen Mexiko unter Lazaro Cárdenas bestand ein ganz anderer Bilderbedarf: Mauern und Wände – murales – wurden zu Leinwänden für kämpferische, antikolonialistische Szenen, Kunst erzählte Politik. Schließlich war Mexiko 1910 Schauplatz der ersten Revolution des 20. Jahrhunderts geworden. Diego war der berühmteste Maler dieser Zeit und dieser Sache, und Frida identifizierte sich so sehr mit der Revolution unter Pancho Villa und Emiliano Zapata, dass sie ihre Geburt auf das Revolutionsjahr datierte.
In der Zeit ihres Lebens war Diego eine Berühmtheit, heute ist sie es.
Diese Ausstellung blickt auf eine sehr intime und gleichzeitig respektvolle Weise auf ihr Leben. Nichts ist drastisch herausgestellt, inszeniert. Viele Motive ihrer späteren Porträts sind in Fridas Fotoschatz enthalten. Ihr Faible für mexikanische Trachten hat sie ganz augenscheinlich von ihren Tanten und ihrer schönen Mutter geerbt, die diese Trachten auf Familienfotos trugen. Das war in ihrer Kindheit unüblich – wer es sich leisten konnte, trug europäische Mode. Die politische und gesellschaftliche Verankerung, aber auch ihr Leiden, ihre Feste und ihre unstillbare Selbstbehauptung – all dies ist hier nachzuvollziehen.
In all dieser Intimität, die die Motive und auch die Formate herstellen: Das Rätsel Frida bleibt unangetastet. Man kommt ihr nah, aber nicht näher und kann sich kaum sattsehen. Das ist ganz fantastisch.

Susanne Asal
Foto: Frida Kahlo nach einer Operation, fotografiert von Antonio Kahlo, 1946.
© Diego Rivera & Frida Kahlo Archives, Bank of Mexico, Treuhänder im Diego Rivera and Frida Kahlo Museum Trust
Bis 4. Februar 2024: Mo., Di., Do.–So., 10–18 Uhr; Mi., 10–20 Uhr
www.opelvillen.de

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