Der Autor scheint ein wenig aus der Zeit gefallen. Selbst das Handy nennt er noch Telephon. Und die neuere Entwicklung der katholischen Kirche erregt seinen Zorn. So kennt man ihn und schätzt oder bedauert ihn. Doch seine Romane finden, über den Büchner-Preis hinaus (2007), höchste Anerkennung. Sein neuer Roman trifft wieder einmal den Nerv unserer Zeit. Er beschwört die Kunst und zeigt den Preis, den sie fordert. Ohne jede Sympathie zeigt er einen erfolgreichen Künstler – und seine Opfer.
Auch in diesem Roman stellt Mosebach wieder einmal einen Künstler in den Mittelpunkt, den Maler Louis Creutz. Er ist ein unsympathischer, skrupelloser Mensch, ohne jegliche Empathie, ein besessener Künstler, der die Menschen umgarnt, die er braucht, und die, die ihm nicht mehr nützlich sind, eiskalt fallen lässt.
Gleich zu Beginn treffen wir den Maler in der bekannten Grünhaus-Galerie wieder, in der eine Vernissage mit seinen neuen Bildern stattfindet. Es ist schwer was los. Alles was Rang und Namen hat, ist gekommen, um zu sehen und gesehen zu werden. Dabei sind auch Beate und Rudolf, ein Ehepaar, das schon lange zu den Sammlern von Louis Creutz gehört. Rudolfs Bruder Dietrich, ein eher schüchterner, fast unscheinbarer Typ, leitet jedoch den ansehnlichen Familienbetrieb mit großem Erfolg. Auf diese Weise ermöglicht er seinem Bruder und dessen Frau als großzügige Mäzene des Malers aufzutreten. Während der Vernissage begegnen die beiden der fünfunddreißigjährigen Astrid, eine blonde, unabhängige, sehr selbstsichere Frau.
Beate, mit einem angeborenen Hang zur Kuppelei, sieht ihre Chance als Ehestifterin gekommen und bringt tatsächlich diese Astrid und ihren Schwager zusammen. Louis Creutz bestärkt sie darin noch, allerdings mit dem Hintergedanken: »bei Dietrich ist sie gut geparkt und läuft nicht weg«, und zwar ihm, dem skrupellosen Maler. Dietrich kann sein Glück nicht fassen, dass die außergewöhnlich intelligente und zudem bildhübsche Astrid ausgerechnet ihn heiraten will. Als Dietrich für zwei Monate geschäftlich in China unterwegs ist, wittert Louis Creutz seine Chance.
Er, der nur riesige weibliche Akte malt, lädt Astrid in sein Atelier ein und sie wird nicht nur sein Modell, sondern auch seine Beute. Das Drama nimmt seinen Lauf. Im Atelier begegnet Astrid Flora Ortiz. Der Maler »tat nichts, um ihre Anwesenheit zu begründen«. Auch sie war einmal Modell und Geliebte. Jetzt ist sie obdachlos, streunt in abgetragenen Klamotten durch die Stadt, aber immer leuchtet ihr Gesicht noch »in spätantiker Schönheit, mit übergroßen Augen und griechischer Nase«, doch ihre »Augen blickten drohend, sie durchbohrten das Nichts, wohinein sie sahen«. Eindringlich warnt sie Astrid: »Werden Sie nicht sein Modell! Machen Sie das nicht!« Sie weiß, warum sie Astrid warnt. Sie weiß, was passieren wird. Erst Geliebte, dann Opfer. Er benutzt seine Modelle nur so lange er sie brauchen kann. Auch Astrid wird sein Opfer. Auch sie wird durch ihn »gebrochen«. Gerade seine Kälte schlug sie in Bann. Er hatte es geschafft, »sie in sein Leben mit dessen Gesetzen« hineinzuziehen. Und sie zahlt einen hohen Preis dafür. (Dabei spielt ein Prof. Taubert eine unrühmliche Rolle, wobei bemerkenswert ist, dass eben dieser Gynäkologe an der Frankfurter Uni-Klinik einst eine leitende Funktion einnahm.)
Mosebach zeigt, mit kühler Distanz beschrieben, einen Künstler, der, wenn überhaupt, nur die Moral gelten lässt, die seiner Kunst dient. Wer und was dabei geopfert werden muss, interessiert ihn nicht. Ihm freilich ist ein Meisterwerk gelungen.