Schauspieler Joachim Król und Fotograf Michael Kerstgens gemeinsam zu Gast im Fotografie Forum Frankfurt

Ein Linolschnitt, eine Bergarbeiterlampe, Schwarzweiß-Fotografien: Hier beginnt die Zeitreise, auf die uns der Dokumentarfotograf Michael Kerstgens in der aktuellen Ausstellung des Fotografie Forums Frankfurt »Michael Kerstgens.Out of control« mitnimmt. Es ist die erste umfassende Werkschau, die einen Querschnitt von Kerstgens’ vier Jahrzehnte umspannendem Schaffen präsentiert. Die Bilder, die in diesem Bereich der Ausstellung zu sehen sind, zeigen den Bergarbeiterstreik 1984/85 in Großbritannien, den härtesten und längsten Streik der englischen Arbeiterbewegung. Kerstgens, damals noch Student, war mit seiner Kamera mittendrin dabei. Nicht als distanzierter Beobachter, sondern als einer von ihnen, als »Kumpel«. Er lebte während seiner Reportage bei Aktivisten, bekam direkte Einblicke in deren Leben, Ängste und den Zusammenhalt der Streikenden. Seine große Stärke sei schon damals gewesen, dass er gut mit Menschen in Kontakt kommt, so Kerstgens. Und das merkt man: Seine Bilder ermöglichen intime und empathische Einblicke in Demonstrationen, Versammlungen, aber auch in Feste und Wohnungen der Bergarbeiter. Geboren in South Wales und aufgewachsen in Mülheim an der Ruhr hat Michael Kerstgens durch die Arbeit seines Vaters einen persönlichen Zugang zum Bergbau. Und den teilt er mit dem Schauspieler Joachim Król, einem langjährigen Weggefährten, den Kerstgens schon in den 1980er Jahren porträtiert hat. Für eine besondere Veranstaltung kommen nun beide gemeinsam ins Fotografie Forum: Am Freitag, dem 4. April, um 18 Uhr können Gäste einen Dialog erleben, durch den Kerstgens‘ Bilder mit von Joachim Król gelesenen Auszügen aus dem Roman »GB 84« von David Peace zum Leben erweckt werden.
Der Bergbau sollte auch Kerstgens‘ weiteren fotografischen Weg prägen. Im Winter 1987 dokumentierte er den Arbeitskampf nach Bekanntwerden der Schließung des Stahlwerks Duisburg-Rheinhausen. Zu seinen jüngsten im Fotografie Forum ausgestellten Bildern gehören Landschaftsaufnahmen, die den Kulturwandel im Ruhrgebiet zeigen. Gesellschaftlichen Transformationsprozessen im weiteren Sinne widmen sich auch die anderen Arbeiten, die die Kuratorin und künstlerische Leiterin des Fotografie Forums Celina Lunsford für die Ausstellung ausgewählt hat: von grellbuntem Zeitkolorit der 1980er, »Freizeit in Deutschland«, über die »Zwischenzeiten« zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung im thüringischen Mühlhausen bis hin zu den Auswirkungen von Klimawandel und Gentrifizierungstendenzen an der norddeutschen Küste. Kerstgens fotografische Neugierde trieb ihn auch in die Welt – seine eindringlichen Bilder lassen u.a. eintauchen in die Spuren der deutschen Kolonialzeit rund um den Tanganjikasee und in den letzten Winter der UdSSR. Mit seinen Arbeiten ist es Michael Kerstgens, der fast 20 Jahre Professor für Fotografie an der Hochschule Darmstadt war, gelungen, den Zeitgeist gesellschaftlicher Veränderungen einzufangen. Diese Zeitreise macht nicht nur Spaß, sie lädt auch zum Reflektieren der aktuellen gesellschaftlichen Umbrüche ein. Noch bis zum 11. Mai ist die Ausstellung im Fotografie Forum zu sehen, am 23. April, um 18 Uhr spricht Michael Kerstgens hier über »Photography of participation«.

Foto: Philipshalle Düsseldorf, 1986,
© Michael Kerstgens 2025
www.fffrankfurt.org

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