Frauen, die Blumen malen! Das Klischee ließ nicht lange auf sich warten, berichtet Ellen Wagner, die Co-Kuratorin, von ersten süffisanten Rückfragen nach der Ankündigung der ganz außergewöhnlichen Ausstellung »Floralia« im Naturmuseum Senckenberg. Der dem antiken Blumenfest entliehene Titel führt im 1. Stock des Hauses (gleich hinter den Säugetieren) zu rund 100 exquisiten Arbeiten von drei Frankfurter Künstlerinnen und Pflanzenliebhaberinnen aus drei historischen Epochen. Bei Maria Sybilla Merian (1647–1717) und Elisabeth Schultz (1817–1898) trugen gewiss auch die Restriktionen für Frauen hinsichtlich des Zugangs zu den Naturwissenschaften dazu bei, sich dem Sujet auf künstlerischen Bahnen zu nähern. Während bei diesen der ästhetische Zugriff mit dem wissenschaftlichen korreliert, sind die Bilder von Ulrike Crespo (1950–2019) künstlerisch experimentell. Für das Senckenberg selbst hilft diese Ausstellung die biodiverse Schieflage der eigenen Sammlung zu korrigieren, kommt hier doch die Botanik nach Ansicht nicht zuletzt der mit-kuratierenden Museumsdirektorin Brigitte Franzen noch entschieden zu kurz.
Die zeichnende Naturkundlerin Maria Sibylla Merian ist mit einer Auswahl bisher kaum bekannter Originalzeichnungen von Pflanzen und Tieren, sowie Handzeichnungen von Schnecken, Insekten und Blumen präsent. Allen ihren Arbeiten gingen dezidierte empirische Beobachtungen voraus. Dass ihr Blick stets auch die wechselseitigen Abhängigkeiten von Pflanzen und Insekten einfing, wenn nicht gar entdeckte, zeichnet die Tochter des Kupferstechers Matthäus Merian als eine frühe Verfechterin der Biodiversität aus. In einer Vitrine sind zudem mehrere Originale ihres berühmten Raupenbuches »Der Raupen wunderbare Verwandlung und sonderbare Blumennahrung« zu sehen, die den vom Ei über die Raupe und das Stadium der Puppe bis hin zum Falter fortschreitenden Zyklus rund um die jeweils zugehörige Pflanze demonstrieren.
Auf ganz eigene Weise dringlich wirken die rund 40 (von 1.262 vorhandenen) Gouachen von Elisabeth Schultz. Die mit kreidiger Wachsfarbe vollzogene gleichförmige »Atlas der wildwachsenden Pflanzen aus der Umgebung von Frankfurt am Main« ist ganz auf die Region konzentriert und als ihr Lebenswerk im Laufe von 60 Jahren entstanden. Etliche der Pflanzen, wie etwa die Moosperle oder die Orchideenart Das Rote Waldvöglein sind heute im gesamten Stadtgebiet nicht mehr präsent. Andere, wie die Kuhschelle und die Steinwurz, nicht mehr wildwachsend. Und wunderschön sind ihre ocker-farben grundierten Zeichnungen auch.
Ulrike Crespos »Rainflowers« basieren auf gescannten Blüten und Blättern ihres in Irland angelegten »Glenkeen Garden«, die sie im Anschluss dem Wetter aussetzte – vorzugsweise eben dem irischen Regen. Neben der Natur trägt somit auch die Technik zum endgültigen Ausdruck der zauberhaften Exponate bei, die Crespo je nach Ort und Funktion, als wandfüllende Arbeit oder als Fotoobjekt fertigte.
Alle drei Frauen verbindet neben ihrer kenntnisreichen Blickweise auf das Feld der Botanik ihr besonderes Interesse an der Publikation ihrer Darstellungen, was bis heute einer Art »Ritterschlag« im Wissenschafts- und Kunstsystem sowie in der öffentlichen Wahrnehmung gleichkommt. In der Ausstellung werden auch historische Hintergründe sowie die unterschiedlichen Produktionsprozesse vergleichend reflektiert. Im angrenzenden hauseigenen Kino gibt es dazu einen achteinhalbminütigen Film.