»Was wir sammeln« – eine schöne Schau im Museum für Angewandte Kunst

Völlig überzeugt hat mich Katharina Pennoyer. Zitruspapiere sammeln, eine Superidee! Unglaublich, wie kostbar eine kleine Orange in ihrer verheißungsvoll und teuer glänzenden Hülle aussah, wie ein wertvolles Geschenk, und dieses zart knisternde hauchdünne Pergament in Gold Rot Palmengrün! Das war einfach fabelhaft und ein Bote aus einer fremden orientalischen Welt. Und hier türmen sie sich nun, diese schimmernden Objekte der Begierde, dekorativ ausgebreitet. Bestimmt zur Freude vieler ist dies eine Wiederbegegnung mit lang vergessenen Objekten. Ihnen jetzt diese Aufmerksamkeit zu schenken, die ihnen zweifellos gebührt, innerhalb eines musealen Zusammenhangs, der sich damit schön nach außen transzendiert, beruht auf einer Idee des Kurators David Beikirch und des Museums für Angewandte Kunst. Das sich damit ganz nebenbei selbst ein wenig auf die Schippe nimmt und ein Loch in die Museumsmauern nach draußen bricht. Wer ist hier jetzt der Voyeur?
Wer sammelt was und warum denn ausgerechnet so was? Ist es schon Sammeln oder nur Faulheit, etwas wegzuwerfen? Warum findet man etwas eigentlich schön? Diese Fragen wurden etwa 50 Protagonist*innen gestellt – und das Resultat ist witzig, bedenkenswert, selbstreflexiv und auch ein bisschen wunderlich – Fotos von Türklinken aus aller Welt zu sammeln? Und dann einen Bildband draus zu machen? Gleichzeitig waren sie – meist Produktdesigner*innen, Grafikdesigner*innen, Galerist*innen – dazu aufgerufen, ein paar erläuternde Worte für ihre Leidenschaft zu finden, und 32 der Befragten ließen sich bereitwillig in die Seelenlandschaft blicken. Die Texttafeln stehen schräg an die Wände gelehnt und werden damit ebenfalls zum Exponat.
Katharina Pennoyer ist nicht die einzige, die aufs Obst kam, das trat auch Annette Gloser, die die legendäre Galerie Fruchtig im Ostend betrieb. Sie hat die Ananas zu ihrem Objekt der Begierde erkoren, der Chilene Mario Alaoui Lorenz sammelt mit Hingabe Bananenaufkleber und berichtet stolz, dass der älteste überhaupt aus dem Jahr 1929 sich jetzt in seinem Besitz befindet! Nicht nur in diesem Fall, auch andere Objekte vermitteln Bilder von einer verlorenen Welt, von dem Wunsch, (an) etwas festzuhalten.
Noch so ein gleißendes Beispiel: Haushaltsschwämme. Gesammelt von Isabel Naegele aus aller Herren Länder. Sie sind eigentlich bescheuerte Wegwerfware, aber in so appetitlichen Fruchtfarben, mit so golden und silbern leuchtenden Kratzauflagen, zu Türmen gestapelt, für den bewundernden Blick inszeniert, sind sie fast so schön wie Pop-Art-Schmuck. Dabei macht uns diese Sammelleidenschaft auch deutlich, welch ungeheure Massen an Plastikmüll damit erzeugt werden. Um seinen Haushalt rein zu halten, vermüllt man die Welt, so dass sie nicht mehr lange lebensfähig bleiben wird. Auch das ist ein starkes Statement.
In eine andere Welt katapultiert Viktor Albus mit seinen prunkenden Leuchtreklamen aus mehreren Jahrzehnten. Dazu wird jedem, wirklich jedem, Museumsgast eine Geschichte einfallen. »Heimat«, ist ihm dazu eingefallen.
Man kann sehr wohl auch weiße Vasen zum Sammelobjekt erküren wie Antonia Henschel, und Pilzmodelle sind nicht nur für Frank Landau ziemlich interessant. »Normaler« dagegen die Sammlung von Stühlen der Marke Thonet, lustiger die von Hockern, die – so der Sammler, nicht den Blick beim Umherschweifen in der Wohnung verstellen können. Man kann auf ihnen sitzen, etwas abstellen, Bücher stapeln und sie vor allen Dingen immer wieder umgruppieren. Das ist eine durchaus bedenkenswerte Idee zur Raumgestaltung. Super auch die Sammlung von alten Staubsaugern! Und ganz toll die ersten auf den Markt gekommenen Mountainbikes, die aussehen, als wären sie für Wham! erfunden worden. Peter Zizka hat sie zusammengestellt und kurvt damit selbst noch ein bisschen herum. Einfach schön!

Susanne Asal /
»Was wir sammeln / Things we collect«
Foto/Photo: Günzel/Rademacher/© Museum Angewandte Kunst
Bis 7.4.: Di., Do.–So., 10–18 Uhr, Mi., 10–20 Uhr
www.museumangewandtekunst.de

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